Das Europäische Collegium für Bewußtseinsstudien, kurz ECBS, war ein multidisziplinäres Forum von Natur- und Geisteswissenschaftlern aus zahlreichen europäischen Ländern, verbunden durch das gemeinsame Interesse an der Erforschung von Bewußtseinszuständen. Das ECBS wurde 1985, als gemeinnütziger Verein, in Göttingen gegründet und führte fortan regelmäßig Kongresse und Symposien durch.
Präsident und Mitbegründer des ECBS war Prof. Dr. med. Hanscarl Leuner, Begründer der 'Katathym-Imaginativen Psychotherapie' und Pionier der substanzgestützten 'Psycholytischen Psychotherapie'. Die Rolle des 1. und 2. Vizepräsidenten hielten der Naturstoff-Chemiker Dr. Dr. h.c. mult. Albert Hofmann und Prof. Dr. rer. nat. Adolf Dittrich inne, derweil Michael Schlichting die Aufgaben des Schriftführers und des Göttinger Sekretäriats übernahm.
Zum ECBS-Beirat zählten Mitte der 90er Jahre Prof. Dr. rer. nat. Hartmut Laatsch, Claudia Müller-Ebeling, Dr. phil. Christian Rätsch, Dr. med. Jurai Styk, Prof. Dr. med. Dipl. Psych. Rolf Verres und als Ehrenmitglied Prof. Dr. med. Christian Scharfetter. 1997 sprach sich der ECBS-Vorstand für die Aufnahme des Künstlers Boris Hiesserer, als außerordendliches Mitglied, aus.
2005 blickte das ECBS auf eine zwanzigjährige Arbeit zurück. Seinerzeit konnte niemand voraussehen, daß die fachliche Diskussion über die Chancen der Psycholytischen Therapie und darüber hinaus das Thema der interdisziplinären Bewußtseinsforschung ein derartiges Echo hervorrufen würden.
Kann man sich des Bewußtseins bewußt sein?
Gegenstand der Bewußtseinsforschung ist zugleich ihr Erkenntnisinstrument. Was das Bewußtsein ist – darauf gibt es so viele Reflexionsebenen wie Antworten. Themen der Bewußtseinsforschung rücken zunehmend in den Mittelpunkt des Wissenschaftlichen und öffentlichen Interesses. Dabei sind Grenzbereiche und außergewöhnliche Bewußtseinszustände von besonderer Bedeutung.
Grenzerfahrungen, die über das Alltagsbewußtsein hinausführen, spielen seit Jahrtausenden eine wichtige Rolle im individuellen wie auch im kollektiven Leben aller Kulturen. Sie werden z.B. ausgelöst durch: Meditation, Trance und Hypnose, Fasten, Reizüberflutung und Reizentzug, Atmung, Tanz, Musik und psychoaktive Substanzen.
Die Themenvielfalt der Publikationen und das breite Spektrum der beteiligten Wissenschaftsdisziplinen drückten das Anliegen des ECBS aus, über die engen Grenzen der einzelnen Fachrichtungen hinauszublicken, Interesse an Ansätzen und Fragestellungen anderer Forscher zu wecken und in einen Dialog einzutreten.
Zu unserem Kreis gehörten: Psychiater, Psychotherapeuten, Psychologen, Neurobiologen, Pharmakologen, Chemiker, Anthropologen, Ethnologen, Theologen, Kunsthistoriker und Künstler, die sich der Erforschung der Welten des Bewußtseins widmeten.
Zu den Interessenten zählten: Psychologen, Ärzte, Psychotherapeuten, Psychiater, Ethnologen und Angehörige anderer Humanwissenschaften wie z.B. Theologen, Kulturanthropologen sowie Pädagogen und auch Vertreter der Grundlagenforschung wie Chemie, Neurobiologie, Physiologie und Psychopharmakologie.
Die Ziele des ECBS
° Förderung der Forschung
° Sammlung und Verbreitung von Informationen
° Organisation von Symposien, Kongressen und Workshops
° Fortbildung von Wissenschaftlern und Therapeuten
° Vertretung von Fachinteressen und Beratung in fachspezifischen Fragen
Stellungnahme des ECBS-Vorstandes in der Person von Prof. Dr. Hanscarl Leuner
Unsere Gesellschaft setzt sich seit Jahren dafür ein, daß bestimmte psychoaktive Substanzen, wie z.B. das Psilocybin, endlich für die ärztliche Anwendung freigegeben werden. Wir treten für eine Ausnahme-Genehmigung zum Gebrauch genau definierter psychoaktiver Substanzen in der Psycjhotherapie für den dafür augebildeten ärztlichen Therapeuten ein.
Daß dies heute auf Widerstände stößt, hat historische Gründe. Bis in die sechziger Jahre gab es für Ärzte keine Probleme, da die Substanzen nur in psychotherapeutischen Kliniken und Praxen, oder wissenschaftlichen Laboratorien, meist jeweils an Einzelpersonen angewandt wurden. Die weite Verbreitung und der Gebrauch in aller Öffentlichkeit durch die gemeinschaftlichen Veränderungen Ende der sechziger Jahre führten bei Behörden jedoch zu einem Restriktiven Verhalten, das 1986 noch verschärft wurde.
Die psychoaktiven Substanzen rufen mit niedriger bis mittlerer Dosierung bei Menschen die Aktivierung einiger interessanter psychischer Komponenten hervor:
° Die Aktivierung ... von Gefühlen und Affekten
° ... der optischen Phantasie (Tagtraum, psycholytische und psychedelische Therapie)
° ... der optischen Wahrnehmung der Umgebung
° Einen hohen Grad von Sensibilisierung gegenüber Eindrücken der Umgebung
Die internationale Psychose-Therapieforschung mit Hilfe von LSD wurde am stärksten in den USA durch immense Forschungsmittel für die sogenannte "psychedelische" Therapie gefördert. Man hatte dort, wie auch in anderen Ländern, entdeckt, daß unter bestimmten Voraussetzungen eine halluzinogen unterstützte Psychotherapie wesentlich intensiver und schneller wirksam sein kann als eine konservative Methode. Wissenschaftliche Untersuchungen an bisher als unbehandelbar geltenden Alkoholikern (von 1960 bis 1970) bewiesen dies. Das LSD war natürlich nicht die hauptsächliche Wirkungskomponente, sondern nur ein Bestandteil eines sehr differenziert ausgearbeiteten Psychotherapie-Konzepts.
Zwei Drittel der psychotherapiebedüftigen Patienten sprechen in Deutschland auf die bisherige konservative Behandlung nicht an. Dies hat die unterschiedlichsten Ursachen. Deshalb wäre es fruchtbar und logisch, diesen Bereich vorurteilsfrei mit wissenschaftlichen Methoden nochmals zu überprüfen. Wir erwarten eine Senkung der Zahl der bisher nicht behandelbaren Psychotherapiebedüftigen um wenigstens 30 bis 40 Prozent. In unserer beschreibenden Statistik ergab sich in einer Nachuntersuchung nach durchschnittlich zweieinhalb Jahren, daß mehr als 70 Prozent eine sehr gute bis gute Besserung verzeichnete.
Die Wertschätzung chemischer Mittel zur direkten Beinflussung der Psyche lag schon Sigmund Freud am Herzen: "... die Zukunft mag uns lehren, mit besonderen chemischen Stoffen die Energiemengen und deren Verteilung im seelischen Apparat direkt zu beeinflussen. Vielleicht ergeben sich noch ungeahnte Möglichkeiten der Therapie."
Prof. Dr. Hanscarl Leuner, Heidelberg, 23. Februar 1996