Kelten & Germanen - Schwarze Sonne, Orakel und orale Tradition

Gallische und Alemannisch-keltische Stämme pflegten eine besondere Vorliebe für die „dunklen“ Götter der Anderswelten, da diese mächtigen Göttergestalten einen stärkeren Bezug zur inneren Welt und zur Traumseite vermittelten. In weiten Teilen repräsentierten sie die dionysische Strömung der ekstatischen Vision und der Trance, dem Verlust des individuellen Bewusstseins und des Einswerdens mit der Natur, die in den Riten der Dunkelheit (nicht des Bösen!), im Kult der schwarzen Sonne oder des schwarzen Mondes ihren Ausdruck fand.

Die Stammes-Schamanen unserer Vorfahren waren Hüter einer komplexen und vielschichtigen Religion oder besser lebenidigen Kosmologie. Kelten, Gallier und Germanen rechneten in ältester Zeit auch nicht in Tagen, sondern nach Nächten. Auch galt der Winter als der Beginn der Zeitrechnung. Diese Rechnung nach Nächten und Winter hat eine mythologische Grundlage, denn nach uralter, tiefer Auffassung sind Kälte und Finsternis die Keimzeit des lichten, warmen Lebens. „German“ nach dem lateinischen „Germinare“ bedeutet: „der vom Licht in die Erde Eingeborene“ oder „der Keimende“.
Ebenso spiegelt die kalte, dunkle Jahreszeit die erforderliche Reifezeit der menschlichen Seele, bevor sie das göttliche Licht erfahren darf.

Julius Caesar berichtete von den Kelten, dass „ihre Bestattungen kostspielig und großartig sind und dass sie alles, was ihnen zu Lebzeiten lieb und teuer ist, dem Feuer übergeben, selbst Tiere.“ Wohlmöglich wurde Caesar vom urbanen Schriftsteller Mela beeinflusst, der berichtet hatte: „Sie verbrennen und begraben zusammen mit den Verstorbenen alles, was sie zum Leben brauchen, und es gibt Söhne, die sich freiwillig auf die Scheiterhaufen ihrer Verwandten stürzen, in der Erwartung, mit ihnen weiterzuleben.“ In seinen ethnografischen Exkursen „Commentarii de bello Gallico“, übertreibt Caesar:„...und noch kurz vor dieser Generation wurden geliebte Untertanen und Angehörige mit ihnen bestattet.“

Zwar beschrieb Justinus die Kelten in der Wahrsagerei und Oraklekunst geschickter als andere Völker seiner Zeit, aber dennoch verkannten die urbanen Schriftsteller die große, tiefe Verbundenheit und Liebe zur Natur, die den Celtae (Kelten) und Sachsen (Germanen) wie Galliern in allen Lebenslagen Kraft verlieh. Obgleich die geistig feinfühligen Schreiber der Antike waren mit der „Naturreligion“ der Barbaren vertraut waren - scheinen die tiefen Wälder des europäischen Nordens und der aktuell stattfindende Feldzug gegen die Alte Religion, Grund genug für Übertreibungen und Phantasterei.

„Wenn tiefe Nacht den Himmel füllt“ und „es selbst den Priester graut zu nahen, voll Angst, den Herrn des Hains zu schrecken.“ Tacticus schildert solch ein Schreckensbild, das sich römischen Soldaten dargeboten habe, als sie 60 n. Chr. die heiligen Haine und die druidischen Zentren bis in den Englischen Norden zu zerstören trachteten: „blutbefleckte Haine, heulende Priester und schwarz gekleidete, kreischend fackelschwingende Weiber“, lieferten ein Bild, dass die kaiserliche Politik rechtfertigen sollte, die Anführer des Wiederstands mit allen Mitteln aus dem Weg zu räumen! Caesar hatte bereits erkannt, das nur die geistigen Keltenführer, die Druiden, in der Lage waren den Widerstand zu formieren und zu lenken.

Ein Großteil des druidischen Erbes (in Form von Erzählungen) legt besonderes Gewicht auf die alten Heil- und Orakelmethoden mit Zauberkräutern, Beschwörungen, Amuletten sowie der Lehre von den Bäumen, Runen und den Sternen (der Zeit). Eine wesentliche Komponente ihrer homöopathischen Medizin war das Wissen um die Mixtur der rechten Anteile bestimmter Wurzeln, Blätter und Blüten, damit alle notwendigen Spurenelemente zum gewünschten Ergebnis führten. Die Jahreszeit, die Stunden des Tages oder der Nacht, sowie bestimmte Mond- und Zeitphasen die als günstig oder ungünstig galten, waren entscheidende Faktoren druidischer Heilkunst.

Die Funkion von Orakeln übernahmen u.a. besondere Orakelsteine, an denen der Verlauf des Blutes von Opfer-Tieren und -Menschen abgelesen wurde. Die Anführerin des Druidenaufstandes, Beaudicca, wurde der bevorstehende Sieg durch die Fluchtrichtung eines freigelassenen Hasens zugesichert. Letzlich bildeten in den frühen keltisch-gallisch-germanischen Stämmen nicht nur die Gottheiten, Sterne, Kraftorte, -bäume oder -tiere, sondern die gesamte Umwelt: Bäume, Holz, Wasser, Nebel-, Wolken-, Rauch- und Feuerformen für den geübten Aufmerksamen Geist mit einer spezifischen Frage oder Aufgabe) eine chiffrier- und lesbare Orakelhilfe.

 

Orale Tradition


Manch einer bedauert es, aber es hatte einen wichtigen Grund, warum die Druiden, die das mächtigste Glied in der Hierarchie darstellten, selbst in den irischen Schriften nie erwähnt werden - es sei denn in herabsetzender Weise. Die Feindschaft der christlichen Missionare ihnen gegenüber (als den Priestern der heimischen Bevölkerung) mag viele der Unstimmigkeiten in den irischen Erzählungen erklären helfen. Alles was sich auf priesterische Tätigkeiten im Rahmen der Alten Religion bezog, mag bewusst verschwiegen worden zu sein. Die rituellen Traditionen die sie bewahrten, wurden nur mündlich überliefert. Die Orale Tradition, die Gesetze, Legenden und Stammeslehren durch geschulte Erinnerungskraft einiger Dichter und Priester fortbestehen ließ, machte das Schreiben überflüssig.

Die mündliche Überlieferung war eine unterhaltsame und zur Vollkommenheit entwickelte Methode, Nuancen wichtiger Ereignisse innerhalb des Stammeslebens mitzuteilen. Wie die den keltischen Kriegerhelden auferlegten Verbote, die Leben und Handeln bestimmten, blieb das Schreiben Tabu, solange die alte Religion vital war. Durch den ständigen Wandel dieser Motive und die unbekümmerte Vermischung physischer und übernatürlicher Bereiche, blieb die Welt der keltischen Vorstellungskraft durch Tausende von Jahren des Geschichtenerzählens hin greifbar

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