Plan - Plant - Planet

Ein inspirierendes bio-futuristisches Szenario von Terence McKenna


Die gegenwärtige globale Krise geht tiefer als alle vorangegangenen Krisen in der Geschichte. Nicht minder drastisch werden die Lösungen ausfallen. Wir schlagen vor, die Pflanze zum Organisationsmodell für das Leben des 21. Jahrhunderts zu wählen, entsprechend dem Computer, der zum dominierenden geistig-sozialen Modell des späten 20.Jahrhunderts geworden zu sein scheint oder der Dampfmaschine, dem Leitbild des 19. Jahrhunderts. Der Vorschlag erfordert einen zeitlichen Rückgriff auf Modelle, die vor etwa 15.000 bis 20.000 Jahren erfolgreich waren und die uns ermöglichen, Pflanzen wieder als Nahrung, Schutz und Kleidung, sowie als Quelle von Erziehung und Religion zu betrachten. Der erste Schritt in dieser Richtung wäre, etwas zu bereinigen, wogegen wir uns solange gesträubt haben: Laßt uns die Natur für rechtens erklären. Alle Pflanzen sollen legal sein und alle Tiere ebenso. Die Vorstellung illegaler Pflanzen und Tiere ist ebenso widerlich wie albern.

Die Wiederherstellung direkter Kommunikation mit dem planetaren Anderen, dem Geist in und hinter der Natur, ist auf die Verwendung halluzinogener Pflanzen angewiesen. Diese Kommunikation mag unsere letzte und beste Hoffnung sein, um die steilen Wände jener kulturellen Starre aufzulösen, mit der wir geradewegs auf den Ruin zusteuern. Wir brauchen eine neue Optik, um unseren Weg in der Welt zu erkennen. Als das nach der Säkularität strebenden Europa seine mittelalterliche Weltsicht änderte, suchte es Rettung in klassisch römischen Ansätzen zur Wiederbelebung des Rechtssystems, von Philosophie, Ästhetik, Stadtplanung und Landwirtschaft. Auf der suche nach Auswegen aus dem heutigen Dilemma sind wir gezwungen, Modelle aus noch weiter zurückliegenden Zeiten in Betracht zu ziehen.

Der Einfluß halluzinogener Pflanzen auf die Entwicklung des Menschen wurde bisher nur oberflächlich untersucht. Eine gründliche Erforschung dieses Einflusses verspräche jedoch nicht nur ein besseres Verständnis der Evolution des Primaten, sondern auch der für Homo sapiens typischen Kulturformen. Das der Verzehr von immunstärkenden oder appetithämmenden Pflanzen adaptive Vorteile mit sich bringt, ist leicht zu begreifen. Schwieriger zu verstehen ist die Art und Weise, in der pflanzliche Halluzinogene unserer entfernten Vorfahren vergleichbare, wenn auch ganz andersartige adaptive Vorteile haben zukommen lassen. Zwar katalysieren die chemischen Verbindungen der Halluzinogene keine Stärkung des Immunsystems – gleichwohl dies eine Nebenwirkung sein könnte-, doch sie katalysieren eine Stärkung des Bewußtsein, jenes sonderbaren Talents des selbstreflektiven Denkens, das seinen sichtbarsten Ausdruck im Menschen gefunden hat. Zweifellos verschafft die Fähigkeit, Krankheiten abzuwehren, einer Gattung, die in ihren Genuß kommt, immense adaptive Vorteile.

Auf die menschlichen Evolution scheint ein verborgener Faktor einzuwirken, der weder mit dem “fehlenden Glied in der Kette” noch mit einem von hoch oben gewährten telos beschrieben ist. Wir schlagen vor, daß jene versteckte Kraft, die aus zweibeinigen Affen das menschliche Bewußtsein hervorgelockt hat, in von pflanzlichen Halluzinogenen angeregten Rückkopplungsschlaufen zu finden ist. Diesem Zusammenhang ist man noch nicht gründlich nachgegangen, obwohl eine eher konservative Form dieser Vorstellung in R. Gordon Wassons Soma: Divine Mushroom of Immortality (1971) vertreten wird. Wasson geht noch nicht auf die erwachende Menschheit bei den Primaten ein, benennt aber halluzinogene Pilze als Kausalfaktoren für die Entstehung von Religion und spirituellem Bewußtsein. Wasson glaubt, daß die umherschweifende Allesfresser, die die Menschen waren, früher oder später in ihrer Umgebung auf halluzinogene Pilze oder andere psychoaktive Pflanzen stoßen mußten.
Da die Ernährungstrategie der frühen Menschen darin bestand, alles zu essen und Ungeniessbares wieder zu erbrechen, konnten mit dieser Methode die eßbaren Pflanzen identifiziert und die Diät einbezogen werden. Schon wegen ihrer ungewöhnlichen Form und Farbe mußten Pilze diesen Sammlern besonders ins Auge stechen. Zumal der Bewustseinszustand, den die Pilze oder andere Halluzinogene induzierten, ein guter Grund gewesen sein mag, zu diesen Gewächsen zurückzukehren. Man wollte ihre verblüffende Andersartigkeit stets aufs neue erfahren, und auf Dauer entwickelt sich das was C. H. Waddington ein Creode nannte, eine aufgrund wiederholter Aktivitäten tiefer werdende Furche des Verhaltens. Anders gesagt: es entstand eine Gewohnheit. Gewöhnung an diese Erfahrung war durch ihren ekstatischen Charakter gewährleistet, wobei “ekstatisch” ein Begriff ist, den wir außer in einem operrationellen Sinn nicht zu definieren brauchen: ekstatische Erlebnisse sind diejenigen, die man immer wieder haben möchte.

Wenn Halluzinogene nun als Exopheroe wirken, das heißt, als chemische Botenstoffe zwischen den Arten, dann wäre die synamisch-symbiotische Beziehung zwischen Primaten und halluzinogenen Pflanzen gleichbedeutend mit einem Informationstransfer von einer Spezies zur anderen. Was die Primaten bei diesem Transfer gewannen, war erhöhte Sehschärfe sowie Zugang zum tranzendenten Anderen. Der Vorteil für die Pilze lag in der Erweiterung ihrer ökologischen Nische: sie konnten im Dung jener ehemals wilden Huftiere gedeihen, die von den sesshaft gewordenen Primaten domestiziert wurden.
Solche Prozesse verlaufen langsamer in Abwesenheit pflanzlicher Halluzinogene.
Ihre Gegenwart jedoch konfrontiert eine Kultur mit stets neuartigen Informationen, Sinnereindrücken und Verhaltensformen, die den Anstoß geben, sich am eigenen Schopf zu immer höheren Stadien der Selbstreflektion emporzuziehen. Im Sinne eines kulturellen Katalysators mögen Halluzinogene für all das Verantwortlich gewesen sein, was uns von anderen Primaten unterscheidet, mit Ausnahme vielleicht des Verlusts der Körperbehaarung. Mentalfunktionen jedoch, die wir mit dem spezifisch Menschlichen verbinden – Erinnerung, projektive Vorstellungskraft, Sprache, Namensgebung, magische Rede, Tanz, sowie ein Gefühl von Religio - , lassen sich alle aus der Interaktion mit Halluzinogenen ableiten.

Weil unsere moderne Gesellschaft pharmakologisch erzeugte Ekstasen zum Tabu erklärt hat, wird sie diese Theorie für schwer akzeptabel halten. Sexualität ist aus dem selben Grund tabuisiert. Denn beide Bereiche, Psychedelik und Sexualität, verbinden uns bewußt oder unbewußt mit dem Mysterium unserer Herkunft, sie lassen uns ahnen, wie es geschah, daß wir so wurden, wie wir sind.
Viele moderne Malaisen, darunter auch chemische Suchtabhängigkeit oder unterdrückte Psychosen und Neurosen, ließen sich in einer Begegnung mit der authentischen Dimension des Risikos auflösen, wie sie der Gebrauch psychedelischer Pflanzen ist dabei zugleich eine Anti-Drogen-Position. Drogenabhängigkeit ist das Ergebnis von gewohnheitsmäßigem, unüberprüftem und obsessivem Verhalten, somit eine Folge jener Tendenz unseres psychisch Make-Ups, die im Lichte der Psychedelika zum Aufweichen gebracht werden.
Pflanzliche Halluzinogene lösen Gewohnheiten auf und ermöglichen, die eigenen Motivationen von einer weniger egozentrischen und besser geerdeten Warte aus zu betrachten. Töricht, wer behauptet, der psychedelische Weg sei frei von Risiko. Kurzsichtig, wer glaubt, das Risiko lohne sich nichts. Was wir brauchen, ist die erfahrbare Bestätigung eines übergreifenden Leitbildes, einer Metapher, die der Gesellschaft und dem Individuum als Grundlage eines neuen Selbstmodells dienen kann.

Schon immer bildeten die Beziehungen zwischen Pflanzen und Menschen die Basis unserer individuellen und kollektiven Existenz in der Welt. Was wir als archaiches Revival bezeichnen möchten, meint den Prozeß des Wiedererwachens traditioneller Haltung zur Natur, insbesondere unserer Beziehungen zu pflanzen. Das archaishce Revival beschließt den Prozeß der allmählichen Auslösung von Verhaltensmustern, die auf männlicher Dominanz und hierarchischer Tierorganisation beruhen. Dieser Prozeß geht nicht über Nacht oder mit einem plötzlichen Umschwung im kollektiven Bewußtsein vonstatten. Vielmehr wird er aus der Einsicht heraus wachsen, daß das archaische Revival von der Idee und dem Ideal einer übergreifenden Vegetationsgöttin geleitet ist, letztlich von der Erde selbst, die derzeit als Gaia wieder Furore macht. Obwohl dieses Konzept von Anthropologen bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts gut dokumentiert ist, hat Gaja erst vor kurzem wieder am Respektabilität gewonnen, vornehmlich durch Riane Eisler, Marija Gimbutanes, James Lovelock und andere.

Je mehr eine Kultur der Gnosis in Gestalt des “Geistes der Vegetation” nahe kommt, desto enger wird ihre Verbindung zum Archetyp der Göttin; je bereitwilliger sich eine Kultur ans Gaja- Kollektiv organischen Lebens anlehnt, desto eher wird ihre soziale Organisation vom partnerschaftlichen Stil geprägt sein. Der Mainstream des westlichen Denkens konnte sich noch bis gegen Ende der griechischen Antike vom gnostischen Geits der Vegetation inspirieren lassen. Danach jedoch wurden die damaligen Mysterienkulte von enthusiastischen christlichen Barbaren engültig unterdrückt.

Unserer Schlussfolgerung lautet, daß der Inhalt der nächsten Evolutionsstufe das archaische Revival, die Wiedergeburt der Göttin und ein Ende der profanen Geschichte sein wird, Komplexe also, die unsere revidierte Beteiligung am Geist der Vegetation und seine weitere Ausbildung zum Thema haben. Derselbe Geist, der uns ein in die sich selbst reflektierende Sprache lockte, lädt uns nun in die unbegrenzten Landschaften der Imagination ein. Ohne den Dialog mit psychedelischen Exopheromonen, die unsere Symbiose mit dem Pflanzenreich regulieren, stehen wir den planetaren Zielen und Vorhaben verständnislos gegenüber. Verständnis für planetare Ziele zu erlangen dürfte jedoch der entscheidende Beitrag sein, den wir für den Evolutionsprozeß leisten können. Zurückkehren an den Busen der planetaren Partnerschaft hieße, die Perspektive unseres geschichtlich erzeugten Egos einzutauschen gegen eine eher mütterlich und intuitiv orientierte Sicht der Dinge.

Wir sind überzeugt, das die spürbare Gegenwart des Andersartigen, die wir bei unserer Navigation durch die Geschichte als weibliche Begleitung verstehen, auf die Kommunion mit dem Geist der Pflanzen zurückgeführt werden kann. In diesem rituellen Rahmen konnten menschliche Instinkte ins Licht von Selbstbewußtsein, Selbstreflektion und Selbstartikulation treten, ins Licht der Großen Göttin.

Was bedeutet es nun, pflanzliches Leben als Metapher für die Neuorientierung der menschlichen Angelegenheiten heranzuziehen? Zwei entscheidende Veränderungen würden aus der Übernahme dieser Prämisse folgen:

Erstens, eine Feminisierung der Kultur

in einem bislang nicht bekannten Maße. Die Bedeutung des “grünen” Bewußtseins liegt in der Erkenntnis, daß die Trennung zwischen Männern und Frauen ist, sondern eine Trennung zwischen uns, den bewußten Tieren, den allesfressenden, landrodenden Kriegern als extremstem Ausdruck des Yang auf der einen Seite und dem globalen Umhang der Vegetation auf der anderen Seite, dem uralten, metastabilen botanischen Element des Yin, aus dem der größte Teil der Biomasse der lebenden Erde besteht.

 

Zweitens, eine nach innen gerichtete Wertsuche.

“Innerlichkeit ist ein Charakterzug der pflanzlichen, im Gegensatz zur animalischen Version von Existenz. Die Fauna ist mobil, ihre Mitglieder migrieren und schwärmen aus, die Flora dagegen hält im Großen und Ganzen ihren jeweiligen Platz. Die pflanzliche Dimension ist gekennzeichnet vom stabilen, unbewegten und ausharrenden Zustand, und wenn ese eine Mobilität des Bewußtseins und der Aufmerksamkeit bei Pflanzen gibt, dann sind er Bewegungen in der Domäne der vegetarischen Imagination. Das archaische Revival, die Rückverbindung zur Vegetationsgöttin mithilfe psychedelischer Pflanzen, behauptet, dass ein Leben des Geistes ein Leben des Zugangs zu den visionären Reichen ist, in denen unsere magischen Lehrerinnen, die Pflanzen, residieren. Schamanen haben schon immer um diese Wahrheit gewußt und sie praktiziert. Hildegard von Bingen, die Seherin des 12. Jahrhunderts, nannte das Bewußtsein der grünen Seite des Geistes Veriditas, Grünheit.

Wir leben auf kulturellem Treibsand. Wenn ein neues Paradigma Auswege und Hoffnungen offerieren will, muß es vor den sich auftürmenden planetaren Problemen zu einer realitätstüchtigen Tagesordnung finden. Hier seien einige Bereiche genannt, in denen ein wachsendes Bewußtsein von Veriditas uns helfen kann, Armageddon abzuwehren:

Die Entgiftung der natürlichen Umwelt. Sie wird über das Zusammenspiel von Atmosphäre, biologischer Matrix und den Ozeanen auf natürliche Weise bewirkt. Solange die moderne Industrietechnologie noch kein wahrhaft globales Phänomen war, konnte dieser erdumspannende Prozeß sogar noch mit dem städtischen Industriemüll fertig werden. Es gibt Naturvorgänge, die uns bei der Entgiftung der Umwelt helfen können. Ein Beispiel wäre das Anpflanzen des Stechapfelstrauches datura – der schon in religiösen Riten der südkalifornischen Indianer und bei den europäischen Hexen eine Rolle spielte -, sowie anderer Pflanzen, die Schwermetalle aus der Erde ziehen und im Zellgewebe anlegen. Indem wir die unterschiedlichen Wege berücksichtigen, mit denen die biologische Matrix Vergiftungen der Erde vermeidet, und indem wir anerkennen, daß die Funktionen der Natur stets darauf gerichtet sind, Leben zu bewahren, können wir uns sogar auf den schweren Weg der aktiven politischen Konsensbildung zur Erhaltung eben dieses Lebens begeben.

Gegenseitige Verbundenheit und Symbiose. Wie die Pflanzen, so sollten auch wir diese Qualitäten vervollkommnen. Bei Regelung kommunaler Angelegenheit zum Beispiel käme uns eine Orientierung an den fraktalen und feingliedrig verzweigten Modellen der pflanzlichen Natur sehr zu gut. Auch böte sich an, unser aus dem 19. Jahrhundert ererbtes Evolutionsmodell durch ein baumartiges Netzwerk symbiotischer Beziehungen zu ersetzen. Gemäß dem überkommenen Modell mußte mit Klauen und Zähnen um die nackte Existenz gekämpft werden, bis der Sieger die ganze Beute an sich riß. Dieses Modell, das auf naiven Beobachtungen von Tierverhalten beruht, wurde mit fliegenden Fahnen gleich auf die Pflanzenwelt und andere Bereiche übertragen. Obendrei wurde es zur Erklärung jener evolutionären Interaktionen herangezogen, denen Vielfalt und Vermehrung der botanischen Arten zu verdanken sind.

Genauer beobachtende Forscher wie C.H. Waddington und Erich Jantsch trafen nicht den von den Darwinisten lauthals verkündeten “Krieg der Natur” an. Sie erkannten einen anderen Sachverhalt: Was einen Organismus innerhalb eines Bioms erfolgreich funktionieren läßt, ist nicht das aggressive Konkurrenzverhalten, sondern die Maximierung der Kooperation mit anderen Lebewesen. Grundverschiedene Pflanzen agieren miteinander im verwobenen Geflecht ihrer Wurzeln, wo sie sowohl mit ihren gemeinsamen Nahrungsquellen, als auch untereinander verbunden sind.

Der vielfach durchflochtene Boden eines tropischen Regenwaldes stellt eine Umwelt von größter biochemischer Verschiedenartigkeit dar, dessen Topologie dem Gewebe des Gehirns ähnelt. Innerhalb des Netzwerks miteinander verbundener Wurzeln werden ständig komplexe chemische Signale gesendet und empfangen. Wechselseitige Angleichung und eine auf symbiotische Beziehungen zielgerichtete Evolution regulieren das ganze System. Das solche Verhältnisse allgegenwärtig sind, spricht für ein evolutionäres Primat der kooperativen Lebensstrategien. Die winzigen mycorrhizal-Pilze zum Beispiel leben in Symbiose mit einer Pflanze, auf deren Wurzeln sie für Filterung und Ausgleich des mineralhaltigen Wassers sorgen. Erst nachdem die Pilze das Wassre aufbereitet haben, gelangt es in die Wurzeln des gastgegebenen Pflanzenorganismus.

Wir brauchen eine in ganzheitlichen Systemen denkende Feinabstimmung. Auch auf nicht-biologische Bereiche wird sich ein Verständnis der biologische Harmonien und Resonanzen positiv auswirken. Das Verständnis solcher Phänomene kann beispielsweise zum angemessenen Management großer Systeme wie dem internationalen Bankwesen beitragen, oder bei der globalen Erzeugung und Verteilung von Lebensmitteln helfen. Die Gaia-Biologen Lovelock, Margulis und andere haben überzeugend dargelegt, wie sich der gesamte Planet mit Hilfe von Plankton und Mikroben ein selbstorganisiertes, meta-stabiler Regime geschaffen hat, das unser biologisches Leben seit über 2 Milliarden Jahren begünstigt. Über Zeit und Raum hinweg wahrt eine auf Pflanzenleben gegründete Gaia ihr Gleichgewicht und trotzte dabei sogar den wiederholten Bombardements durch Asteroidenmaterial, das ausreichen würde, um das planetare Gleichgewicht empfindlich zu stören. Einen solchen tao-artigen Sinn für die multi-dimensionale, homäostatische Balance des Planeten können wir nur bewundern – um ihn nachzuahmen. Aber wie? Wir schlagen vor, Pflanzen zu betrachten, sie wirklich anzuschauen, näher, intensiver und mit offenerem Geist, als wir es je getan haben.

Recycling. Wie die Pflanzen, so müssen auch wir Recyklen, denn im kosmischen Maßstab sind wir nicht mobiler als sie. Die erfolgreicheren Wirtschaftsformen haben wir aber im Lauf der Geschichte stets den Raubtieren abgeguckt. Tiere können in andere Reviere wechseln, wenn sie die Ressourcen in ihrer unmittelbaren Nähe erschöpft haben. Da sie sich zu neuen Nahrungsquellen begeben können, verfügen sie über potentiell unbegrenzte Ressourcen. Pflanzen sind ortsgebunden. Sie können nicht so leicht zu nährstoffreicheren Quellen übersiedeln, oder ein Gebiet, das sie ausgelaugt haben, verlassen. Pflanzen sind gezwungen, sehr gut zu recyclen. Eine unerlässliche Bedingung für unser planetares Überleben ist eine pflanzenorientierte Ethik, die die Methoden der botanischen Welt im Gebrauch und bei der Wiederverwendung ihrer Ressourcen reflektiert. Im Gegensatz dazu rechnen alle kapitalistischen Modelle mit der unbegrenzten Verfügbarkeit von Ressourcen und Arbeitskräften. Mittlerweile dürfen wir aber weder von der einen noch der anderen Vorraussetzung ausgehen. Wir behaupten nicht, endgültige Methoden zur Lösung dieses Problems zu kennen, schlagen aber vor, sich der Pflanzenwelt zuzuwenden, um auf die richtigen Fragen zu stoßen.

Der Einsatz photovoltaischer Energie.
Dieser Einsatz liegt nahe, wenn wir die beneidenswerte Eleganz betrachten, die Pflanzen beim Umgang mit Energie an den Tag legen. Mit der Photosynthese verfügen Pflanzen über ebenso luxuriöse wie praktische Lösungen ihrer Energieprobleme. Verglichen mit den durch Wasser- oder Tiereskraft bewegten Rädern- Urbild der Energieproduktion in der menschlichen Welt-, gleicht es einem quantenmechanischen Wunder, wie ein Photon des Sonnenlichts auf eine molekulare Vorrichtung trifft, über die ein Elektron zur Teilnahme am Lebensprozeß der Pflanzenzelle freigesetzt wird. Tatsächlich ist diese Stück extravaganter Sience Fiction das Prinzip, nach dem die Photosynthese funktioniert; -nur ein Beispiel für die von den Pflanzen seit Jahrmillionen kultivierte Ingenieurskunst. Hocheffektive Photovoltaische Technologien könnten heute den täglichen Elektrizitätsbedarf der meisten Menschen befriedigen. Schwerindustrien im bisherigen Umfang ließen sich mit Sonnenenergie allerdings kaum betreiben. Vielleicht will uns die Natur auf diese Weise nahebringen, unsere energiepolitischen Gepflogenheiten zu revidieren, so versessen wir auch auf den rauschenden Strom an Güter sein mögen, der sich aus unseren Manufakturen ergießt.

Eine globale, an der Atmosphäre orientierte Energieökonomie. Die Photosynthese, jener dem pflanzlichen Leben eigene Prozeß, der Energieerzeugung, könnte auch als Modell für eine auf Sonnenenergie und Wasserstoff gestützte Weltwirtschaft dienen. Mit Sonnenenergie ließe sich Wasserstoff aus Meerwasser gewinnen. Solare Elektrizität kann den wesentlichen Teil unseres Bedarfs decken, und nur energieintensive Industrieprozesse wie das Schmelzen von Aluminium und Stahl stellen zu hohen Ansprüche an die Kohlendioxyd aus der Atmosphäre ab und produzieren nebenbei Energie und Sauerstoff. Über einen ähnlichen, wenn auch unterschiedlichen Vorgang könnte mit solarer Elektrizität aus Wasser Wasserstoff gewonnen werden. Der Wasserstoff könnte gesammelt und bis zur späteren Verteilung konzentriert werden. Die Pflanzen haben unter Beweis gestellt, zu welch eleganten Lösungen sie beim Haushalten mit der zur Verfügung stehenden Materie fähig sind. Eine menschliche Wasserstoff-Ökonomie würde sich auf vergleichbare Art und Weise der unerschöpflichen und wiederverwertbaren Ressourcen bedienen.
Im Grunde ist dies ein einfacher Vorschlag. Wirtschaftsplaner haben seit langem erkannt, daß Wasserstoff der ideale Grund- und Betriebsstoff für eine globale Ökonomie ist. Wasserstoff ist sauber – wenn er verbrannt wird, verbindet er sich wieder mit Wasser, aus dem er chemisch bezogen wurde. Wasserstoff ist reichlich vorhanden - das Wasser besteht zu einem Drittel aus Wasserstoff. Hinzu kommt, daß sämtliche existierende Technologien – Verbrennungsmotoren genauso wie Kohle-, Öl- oder atomgetriebene Generatoren -, auf Wasserstoffbetrieb umgestellt werden können. Was wir vorschlagen, erfodert also kein über-den-Haufen-Werfen der herkömmlichen Systeme zu Energieerzeugung und –Verteilung. Wasserstoff aus Meerwasser könnte in der Nähe abgelegener Inseln produziert werden. Er könnte dann mit derselben Technologie, die heute zum Transport von flüssigem Erdgas verwendet wird, zum nächsten Umschlagplatz befördert werden. Man mag einwenden, das Wasserstoff hochexplosiv sei, und daß es für einen sicheren Umgang an entsprechenden technischen Erfahrungen mangelt. Dem läßt sich der ausgezeichnete Sicherheitsstandard der Erdgasindustrie dagegenhalten. Wasserstoffunfälle wären in der Tat verheerend, aber es würde sich um gewöhnliche Explosionen handeln, ortsgebunden, nicht-toxisch und ohne die Freisetzung von Radioaktivität. Wie auch das Pflanzenleben, würde sich die Wasserstoffwirtschaft sich selbst tragen und keine Verschmutzung verursachen. Verbrannter Wasserstoff verbindet sich mit Sauerstoff und wird wieder zu Wasser. Um zu demonstrieren, daß das Konzept der Wasserstoffökonomie tragbar ist, wäre eine internationale Anstrengung von außergewöhnlichem Umfang nötig. Immerhin wäre es ein Anfang. Eingestandenermaßen würden viele potentielle Probleme auftauchen, aber kein Plan zur Energieerzeugung für die Bedürfnisse des 21. Jahrhunderts wird frei von Schwierigkeiten sein.

Nanotechnologie.
Die beginnende Ära der Molekularmechanik ist ein Spross der radikalsten unter den grünen Visionen. Schließlich verspricht sie, daß von Menschen veränderte quasi-biologische Zellen und Organellen zur Herstellung von Produkten eingesetzt werden konnen. Nanotechnologie nimmt die Vorstellung ernst, daß auf mikro-physischer Ebene eingesiedelte Techniken auch materielle Vorgänge im Maßstab der menschlichen Welt beeinflussen können. In der Nanotech-Welt können Wohnstätten und Maschinen wie biologische Einheiten “wachsen”, und die auf diese Weise hergestellten und manipulierten Objekte wären ihrer Natur nach dem Fleische näher als dem Stein. Die künftigen Korallenriffe der menschlich-materiellen Symbiosen, wie sie die Propheten der Nanotechnologie preisen, würden eine Unterscheidung zwischen belebt und unbelebt, organisch und künstlich hinfällig machen.

Bewahrung der biologischen Vielfalt. s ist nur eine Quelle für die Evolution biologischer Verbindungen und die damit einhergehende chemische Vielfalt bekannt: Das Leben auf diesem Planeten. Diese Aussage muß so lange gelten, bis wir einen anderen Planeten entdeckt haben, der mit Leben so überquillt wie der unsere. Trotzdem zerstören wir die lebende Vielfalt unserer Welt mit empörender Schnelligkeit. Dem muß Einhalt geboten werden. Zum einen durch den Erhalt bedrohter Ökosysteme, zum anderen durch die Bewahrung von Informationen über diese Ökosysteme. Solche Informationen wurden über Jahrtausende hinweg von den Menschen gesammelt, die mit und in den natürlichen Systemen lebten. Die Bedeutung des Volkswissens in bezug auf Botanik und Heilkunde kann gar nicht hoch genug geschätzt werden, schließlich stammen alle bedeutenden Arzneimittel, die für die menschliche Gesundheit wichtig waren und die Geschichte veränderten, von lebenden Pflanzen und Pilzen. Chinin ermöglichte die Eroberung der Tropen, Penizillin und Pille haben auf ähnlich grundlegender Weise die Sozialstruktur des 20. Jahrhunderts verändert – alle drei Pharmazeutika wurden aus Pflanzen gewonnen. Meine Partnerin Kat und ich arbeiten auf diesem Gebiet in einem botanischen Garten in Hawaii, den wir leiten. Er ist dem Schutz von Pflanzen gewidmet, die im Amazonas-Schamanismus Verwendung finden, einem jener traditionellen Wissenssysteme, die von Verfall bedroht sind.

Was die hier ausgeführten Vorschläge und Maßnahmen befürworten, könnte man als Gaia-Holismus bezeichnen. Gemeint ist damit ein Gespühr für die Einheit und Balance der Natur, sowie die Bereitschaft, unsere menschliche Position an das sich dynamisch fortentwickelnder Gleichgewicht anzupassen. Es ist eine an Pflanzen orientierte Sicht. Sie fordert die Rückkehr zu einer Perspektive, die unser >Selbst< und >Ego< in den größeren Kontext von planetarem Leben und planetarer Evolution einbettet – die Essenz des archaischen Revival. McLuhan hatte recht, als er die planetare menschliche Kultur, das globale Dorf, in Stammesbegriffen beschieb. De nächste große Schritt zum planetaren Holismus wäre die teilweise Verschmelzung der technologisch transformierten menschlichen Welt mit jener archaischen Matrix der Pflanzenintelligenz, die sich uns als Überseele des Planeten offenbart.



Ich zögere, dieses erwachende Bewußtsein religiös zu nennen, obwohl es auch das sicherlich ist. Dazu gehört die intensive Auslotung der von pflanzlichen Halluzinogenen eröffneten Dimensionen, sowie eine Untersuchung der strukturellen Verwandtschaft mit den Neurotransmittern im menschlichen Gehirn, die eine besondere Berücksichtigung verdient. Durch sorgfältiges Erforschen pflanzlicher Halluzinogene werden wir die archaischen und sensibelsten Ebenen im Drama des sich herausbildenden Bewußtseins ergründen können. Charakteristisch für die Frühformen von Gesellschaft und Religion war die Symbiose zwischen Pflanzen und Menschen. Ihr verdanken wir die erste Teilhabe am numinosen Mysterium. Das Geheimnisvolle dieser Erfahrung ist heute um nichts geringer geworden, ungeachtet der verbreiteten Annahme, wir hätten die schlichte Ehrfurcht unserer Vorfahren inzwischen durch die Kraft unserer scharfen philosophischen und analytischen Werkzeuge ersetzen können.
Als planetare Kultur stehen wir vor einer einfachen Wahl:

Werde grün oder sterbe! Go green or die!


Quelldaten: Plan - Plant - Planet, Autor: Terence McKenna, erschienen im Rave New World 2002, Seite 33, aus der Reihe Moderne ReEducation ISBN 3-925817-35-2, aus dem amerikanischen Übertragen und leicht bearbeitet von Micky Remann, Verlag: Der Grüne Zweig (135) / ein Joint Venture von Werner Piepers Medienexperimente & Nachtschatten-Verlag.

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