Einsicht in Briefverkehr

Oberbürgermeisterin Beate Weber - Dezernat 1


ERSTER BRIEF: Datum 11.02.2003 - Status unbeantwortet


Betrifft: Brauchtumspflege der Walpurgisnacht, die im Stadtentwicklungsplan 2010 dargelegten Leitlinien und Ziele im Bereich Kultur, die gemeinschaftliche Entwicklung sozialer Kompetenz in Eigenverantwortung am Beispiel der Walpurgisnacht-Feier auf der Heidelberger Thingstätte




Sehr geehrte Frau OB Weber,


Sie kennen mich nicht persönlich und es mag sie wundern, was mich dazu bewegt hat, mich derart in das komplexe Thema hinein zu vertiefen, das vordergründig ein Problemkind darstellen mag, es anzunehmen und hinter den unreflektierten Problemen – die ja nicht nur Probleme der Jugend, sondern der Gesellschaft allgemein darstellen - wahrlich zukunftsweisende Aspekte entdecken durfte.

Darum einige Erklärungen vorweg. Aufgrund der jährlich wachsenden Besucherzahl zur Walpurgisnacht-Feier in Nacht auf den ersten Mai, und der dabei entstehenden Müllproblematik wäre es doch sicherlich ratsam, die alljährliche „Freiwillige Reinigungsaktion der Thingstätte und der Zufahrtswege“ auf die Tage nach dem ersten Mai (oder gar den 1. Mai selbst, da Feiertag) zu verlagern?! Für weitere Informationen und etwaige Koordination mit Herrn Fabian vom Amt für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung könnte Frau Heinz vom NABU-Heidelberg dienlich sein, da sie bereits die Einbindung von Schul- und Vorschul-Klassen in die Aufräumaktion in Erwägung zog und im vergangenen Jahr verschiedene Schulen anschrieb, um dieses Anliegen zu unterbreiten. Frau Heinz erkennt darin einen guten Ansatz, den Heranwachsenden früh an ihre Rolle als „Nutzer“ und „Schützer“ der Natur begreiflich zu machen.

Nun, ebenso drängen wir darauf, die sozial-kulturell wie politisch gewichtige Chance zu ergreifen und alljährlich 10. - 20.000 vorrangig junge Besucher der Thingstätte zur Walpurgisnacht auf die (uns alle betreffenden) globalen Themen: von Wurzeln, Kultur, Familie, auf die gemeinschaftliche Zukunft und den nachhaltigen, sinnlichen Umgang mit bzw. Verbindung zur Natur einzustimmen! Als eine Stadt die das Etikett „Stadt der Romantik trägt“, sollten wir sensitiv genug und allemal befähigt sein, durch das Zusammenwirken verschiedener Wissenschaftler, Stadtteilverbände, Trancetechniker, Ethnologen-, Musik-, Tanz-, Theater- und Kunstgruppen eine Basis für die konstruktive Fortentwicklung dieses lokalen Brauchtums zu gewährleisten. Ein Brauchtum, dass für die „Jugend“ (und „Kindern jeden Alters“) ein dringlich notwendiges Übergangsritual darzustellen vermag.

Im Zuge dessen möchten wir sie dringlichst bitten die „Bereitstellung von getestetem Trinkwasser“ in reinen Wasserreservoirs bis hin zur „Ausgabe von Pfandbechern“ in Betracht zu ziehen. Die Kosten der Müllbeseitigung sollte nicht, wie bei der Love Parade seit 1991 über Jahre hinweg ein (Reiz-)Thema bleiben, da die ursprüngliche Ausrichtung der neuen Jugendbewegung im Kern nicht konsumorientiert ist. Wenn sie es wirklich vorziehen, vor Ort weniger Müll vorzufinden, werden sie auf die Umsätze bei den Hamstereinkäufen (pfandfreier, versteuerter) Getränke hiesiger Tankstellen verzichten müssen. In Heidelberg genießt die Jugend, ebenso wie andererorts mit den Sinnen, lauscht, tanzt und schaut, nimmt so niemandem etwas weg. Sie schafft, in zeitlich begrenzten Autonomen Zonen, massen-therapeutische Events voller neuer Lebenskräfte, Energien und Visionen.

Um die äußerst selten gewordenen Momente von wahrem Wert für Gegenwart und Zukunft der menschlichen Gemeinschaft zu bewahren, startet den Versuch, bei Universitäts-Fakultäten, Stadt und Gemeinde, sowie Künstler- und Naturschutzverbänden und Mitbürgern jedes Alters kommunales Interesse zu wecken, ja zu mehr Bereitschaft anzuregen „Das Archaische Revival“ innerhalb der Jugendkultur als „wegweisend“ zu betrachten und den „Kult zur Walpurgisnacht auf der Thingstätte“ als den „förderungswerten öffentlichen Raum“ zu erkennen, der er mittlerweile ist.

Viele unserer alltäglichen Probleme und Ängste basieren auf dem Verlust unserer, in heidnischer Tradition wurzelnden Kreatürlichkeit. Die Jugend sucht die jenseits von Kommunikation existente symbiotische Einheitserfahrung mit der Natur“, obgleich es durch die Kirche 2000 Jahre lang verpönt und als Teufelswerk verschrieen wurde (mit Ausnahme einiger MystikerInnen). Aber, so ein Zitat aus „Die Zeit“ zum Erfurter Schulattentat: „Wenn der Begriff Bildung mehr heißen soll, als ein gutes Abitur, dann schließt er Selbstbewusstsein und Selbstkenntnis mit ein. Nur der kann sich selbst kennen, der Träumen und Verweilen darf, der weiß wo er herkommt. Herkunft ist nie nur biologisch sondern immer auch kulturell, und wem die geschichtliche Tiefe des kulturellen Raums verschlossen bleibt, wer die Erzählungen nicht kennt, die in der Gestalt von Mythen und Märchen, von Gemälden und Büchern, von Oratorien und Liedern auf uns überkommen ist, der wird im traurigsten Sinne des Wortes seines Glückes Schmied, weil er allein mit sich selber bleibt.“

Nachdem Heidelberg sich an der Agenda 21 orientiert, sollten unsere Verantwortungsträger ein lebendiges Bewusstsein für Umwelt und Gemeinschaft entwickelt haben und an der gemeinschaftlichen Entwicklung sozialer Kompetenz in Eigenverantwortung interessiert sein, da nur dies- die Probleme unserer Zeit wirklich und entgültig zu lösen vermag. Diesbezüglich berufen wir uns auf die von der Stadt Heidelberg, im Stadtentwicklungsplan 2010 dargelegten Leitlinien und Ziele im kulturellen Bereich: °die besondere Förderung nicht-institutionalisierter Kulturgruppen und -Vereine, der freien kunstschaffenden und soziokultureller Zentren sowie die Schaffung von ‘Spielräumen’ zur Begegnung, zur freien Entfaltung und Gestaltung der Bürgerinnen und Bürger, das heißt, nicht zweckgebundene, kommunikationsfördernde Räume und Flächen.

Um kulturübergreifendes, planetares, dem Schutz von Leben und Natur Priorität einräumendes Bewusstsein zu fördern, offeriert die Pyromania Arts Foundation das Konzept für eine symbiotische Gesamt-Installation aus Naturelementen und technischen Mitteln, die direkte Bezüge zur heimischen Tradition, zur Zeit, zum Ort und allen Anwesenden herzustellen vermag.

Wir fordern Kulturbeauftragte und politische Verantwortungsträger des Gemeindewesens auf, der Walpurgisnacht-Versammlung - die eine außergewöhnliche Erfahrung für alle Beteiligten ist und Momente von wirklichem Wert für die Gegenwart und Zukunft der menschlichen Gemeinschaft in sich birgt – und ihren lokalen Aktivisten vor Ort eine sanfte, konstruktive Choreografie und eine minimale Infrastruktur zu bewilligen.

Zu diesem Zweck haben wir ein Internetforum zur Zusammenarbeit und Netzwerkbildung eingerichtet.

Für ein persönliches Gespräch mit Ihnen, bin ich nach einer Terminvereinbarung auch gern bereit Sie im Rathaus aufzusuchen.


Mit freundlichen Grüßen,

Boris Nikolaus Hiesserer



„Man kann jede Gesellschaft danach definieren, in welchem Maße es ihr gelingt,
die höheren Sphären zu erhalten und damit die Phantasie und Willenskraft.“



Nicolaus Sombart, der wohl letzte deutsche Kultursoziologe alter Provenienz




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Oberbürgermeisterin Beate Weber - Dezernat 1


ZWEITER BRIEF:Datum 13.03.2003- Status unbeantwortet


Betrifft: Konfliktlösungs-Angebot zur „Brauchtumspflege der Walpurgisnacht“

„Vorabinformation zum öffentlichen Forum „Die Neue energie Bewegung“


Obgleich der Kult zur Walpurgisnacht auf der Thingstätte, an die älteste Tradition unserer Kultur anknüpft und äußerst wertvolle Momente für die Gegenwart wie Zukunft der menschlichen Gemeinschaft transportiert und obgleich alljährlich um die 20.000 Besucher vom nächtlichen Spektakel angezogen werden, bieten Stadt und Gemeinde bislang kaum Unterstützung. Weder bewilligt sie eine inzwischen notwendig gewordene kreatürliche Choreographie, die das Geschehens vor Ort in gesunde Bahnen zu lenken vermag, noch gibt es Pläne zur Bereitstellung städtischer Trinkwasserbehälter, was den hinterlassenen Müll (hauptsächlich Glasflaschen) beträchtlich reduzieren würde. Die Koordination von Sicherheitskräften und Erste Hilfe Teams übernimmt die Stadt (notwendigerweise), aber inhaltlich besteht auf Seiten der Behörden bislang nicht wirklich Interesse, sich mit dem Thema Walpurgisnachtbrauchtum auseinander zu setzen. Das hat nun ein Ende.

Es ist bei weitem nicht damit getan, wenn der ehemalige Leiter des Ordnungsamts Heidelberg, im Rhein Neckar Fernsehen sowie in der Rhein-Neckar Zeitung - in der Art eines Imperators, der den Aufstand schon im Keim ersticken will - verkündete, dass: „die Sache bereits ihren Zenit überschritten“ habe und sich der „Kult“ zu Walpurgis auf der Thingsstätte allmählich von selbst erledigen werde, da „dort oben ja eigentlich gar nichts los“ sei. Immerhin entstand aus Kult unsere Kultur und das der Zenit der Veranstaltung unserer jungen Bewegung keinesfalls schon überschritten und der grundliegende Wert des Geschehens noch längst nicht verinnerlicht wurde, verdeutlicht unsere Website, die allen Bürgern der Stadt (und gerade unserer Jugend) fortan als Forum zur Verfügung steht.

Die Annäherung an den 60. Jahrestag des jüdischen Aufstands im Warschauer Ghetto, am 16/19. April 1943, bietet erneut die Chance sich mit der Zeit unseres einst totalitären Regimes auseinander zu setzen, das nebst ‘seiner’ Ikonen, Ruinen und kultischen Plätzen auch zahlreiche Narben auf dem kollektiven Gewissen hinterlassen hat. Gestützt durch aktuellste archäologische Funde in Deutschland (Himmelsscheibe von Nebra und Goldhut-Funde) und in Anbetracht des durch die NSDAP-Propaganda verfälschten historischen Hintergrunds, erscheint es heute dringlich notwendig, dass wir uns als Gemeinschaft den ursprünglichen Inhalten dieses archaischen Kultplatzes wieder zuwenden und ihn reaktivieren, was ja derzeit in verstärktem Maße geschieht.



Aufgrund unserer heutigen Entfremdung zu den einst heidnischen, traditionellen Inhalten und Werten unserer eigenen Kultur, ist der Kult zur Walpurgisnacht auf der Thingstätte nicht ohne weiteres anhand allgemein überlieferter, gesellschaftlicher Maßstäbe zu verstehen. Doch gerade die Revitalisierung archaischer Traditionen ist enorm von belang, da sie ein Beleg sind, für verschiedenste gesellschaftliche Formen nachhaltiger, ökologisch verträglicher
Weiterentwicklung, innerhalb eines natürlichen Lebensraums! Darum habe ich mich persönlich, als Initiator des Projekts „die neue energie bewegung“, mit einer Gruppe von Denkern dieser Aufgabe gewidmet.


Um diese äußerst selten gewordenen Momente von wahrem Wert für Gegenwart und Zukunft der menschlichen Gemeinschaft herauszuschleifen und zu bewahren, beruht unser Anliegen darin, bei Universitäts-Fakultäten, Stadtteilverbänden und Gemeinde, sowie Agenda-, Künstler- und Naturschutzgruppen, Jugend und Mitbürgern kommunales Interesse anzuregen und darüber hinaus Bereitschaft, „Die Neue Energie Bewegung“ als wegweisend und die Thingstätte für das Walpurgisnacht-Brauchtum, als förderungswerten öffentlichen Raum anzuerkennen.

Da ein kulturübergreifendes, planetares, dem Schutz von Leben und der Natur Priorität einräumendes Bewusstsein gefördert werden will, offeriert das lokale „doors of perception – ethic committee“ die Erarbeitung eines Konzepts für eine symbiotische Gesamt-Installation aus Naturelementen und technischen Mitteln, die direkte Bezüge zur heimischen Tradition, zum Ort und allen Anwesenden herzustellen vermag.

Darum fordern wir Kulturbeauftragte und politische Verantwortungsträger des Gemeindewesens auf, der Walpurgisnacht-Versammlung - die eine außergewöhnliche Erfahrung für alle Beteiligten ist und Momente von wirklichem Wert für die Gegenwart und Zukunft der menschlichen Gemeinschaft in sich birgt – und ihren lokalen Aktivisten vor Ort eine sanfte, konstruktive Choreografie und eine minimale Infrastruktur zu bewilligen.

Als erforderlich betrachtet wird die Realisation folgender Punkte:


1 Bewilligung einer erweiterten Choreografie des Walpurgisnacht-Happenings auf der Thingstätte

2 Unterstützung der Stadt - um der Müllproblematik und der mentalen Versteppung vorzubeugen

3 Netzwerk-Bildung durch Teilnahme von Kunstgruppen, Fakultäten, Institutionen

4 Duldung sanfter, ur-kultureller, synergetisch naturbezogener Multimediatechnik-Angebote vor Ort

Diese Choreografie wurde in dem Konzept „Gestaltung der Brauchtumspflege zur Walpurgisnacht“ zusammengefasst. Zum Zwecke der Publikmachung wird folgendes Forum zur Zusammenarbeit und Netzwerkbildung errichtet: www.dieneueenergiebewegung.net. Falls sie im Vorfeld Interesse haben, sich einen Einblick zu verschaffen, lasse ich Ihnen - nach kurzer Anfrage - das „Offene Gestaltungs-Konzept“ zukommen.

Ich hoffe auf Ihre Bereitschaft, gemeinsam die Grauzonen und dusteren Nischen unseres Gemeindekörpers ausleuchten und somit zu helfen, Angst abzubauen, die Generationen zueinander führen, das Weibliche in Stadtbild und Kultur fördern, den revitalisierten Geist der Romantik in der Jugend wieder zu finden und dem Anspruch Heidelbergs als „Stadt der Romantik“ wahrlich gerecht zu werden.

In diesem Sinne bin ich natürlich auch bereit, Sie bei bestehendem Interesse und nach kurzfristiger Termin Vereinbarung, für ein kurzes persönliches Gespräch und Erörterung der Lage aufzusuchen.

Ich danke für Ihr Interesse und verbleibe freundlichst,


Boris Nikolaus Hiesserer



Dieses Schreiben ging ebenfalls am heutigen Tag (mit Anhang) an folgende Personen/Institutionen:

Frau OB Weber, Rathaus
Frau Möslinger, Meier
Frau Sharon, Haus der Jugend
Frau Heinz, BUND Heidelberg
Frau Bartsch, Berufsförderungswerk
Herrn Kienle, RNZ
Herrn Beß, Kulturamt
Herrn Pöltel, Ordnungsamt
Herrn Zirkwitz, Umweltschutzamt
Herrn Schmaus, Stadtentwicklungamt
Herrn Zimmermann, Agenda 21 Büro

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