Visionen 21 - Die Heidelberger Mysterienspiele

Es gilt nun die Chance ergreifen, im Sinne schamanischer Traditionen (die dem organischen Leben Vorrang gewähren und einen Sinn für das Heilige beinhalten), eine maßgebliche Anzahl der alljährlichen herbeiströmenden Besucher der Thingstätte auf die (jeden betreffenden) globalen Themen von Wurzeln, Kultur, Familie und die gemeinschaftliche Zukunft und der Umgang mit bzw. die Verbindung zur Natur einzustimmen!

Die keltisch-gallischen Bewohner des Odenwalds (Odinswald) feierten in der Nacht zum 1. Mai ihr Erntefest, im keltischen Kalender hieß dieses Fest Beltane. In einem „Kampf der Gegensätze“ steigt zuvor der Heros in die jenseitige Unterwelt, in der eine machtvolle Jungfrau und Göttin gefangen bzw. verborgen ist. Nach dem Vollziehen der „Heiligen Hochzeit“, inmitten von reinigendem Feuer und verbunden mit der Wärme der Sonne, verlässt diese als Maikönigin in Begleitung ihres Sohngeliebten den dunklen Teil des Jahres und wird vom nächsten begrüßt.

Beim Nachspielen dieser alten Mythen, darf Unterhaltung nicht vulgär und aufdringlich erscheinen, so dass stets auch eine Annäherung vom Zuschauer bzw. den anwesenden Besuchern ausgehen kann, im Sinne einer Chance für die Fantasie, eine emotionale Reise zu unternehmen, ... innezuhalten, ... nachzudenken.
Hiers soll der Mensch nicht Zuschauer sein, sondern Protagonist eines Dramatischen Religiösen Schauspiels, eines liturgischen Rituals voller Emotionen, Erinnerungen, Hoffnungen und Erwartungen - das alle mit einbezieht!

Um im globalen Dorf lokal, das so dringlichst benötigte - kulturübergreifende, planetare, der Natur und dem Schutz von Lebens Priorität einräumende - Bewusstsein zu fördern, wäre eine symbiotische Gesamtinstallation aus Naturelementen, Performance und technischen Mitteln anzustreben, die direkte Bezüge zum Moment der Feier an sich, zum Ort, den Anwesenden und zum lebendigen Gesamtkunstwerk Erde herzustellen vermag.

Durch die Anregung der ortsansässigen Pyromania Arts Foundation - die letztlich eine Umwandlung der Medienstruktur in ein globales Medium synästhetischen Ausdrucks klang- und farbtherapeutischer Anwendung anstrebt – könnte (mit wachsender Unterstützung weiterer Gruppen) ein kulturneutrales, archaisches Programm entwickelt werden, das der Entwicklung des zellularen, individuellen, nationalen Bewusstseins, hin zu globalem und universellem (Selbst-) Bewusstsein sehr förderlich wäre.

Zur Vertiefung in die möglichen Szenarien vor Ort, stelle man sich auf Naturgeräuschen basierende Klangkollagen vor. Eine Performance mit dem Titel ‘Der letzte Tropfen Wasser’ mahnt zum nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen und ein Reigentanz der Erdgöttin und ihrer vier Elemente wird aufgeführt. Die über den gesamten Platz verteilten Künstler- und Trommelgruppen haben speziell auf diesen Tag hingearbeitet, um die Anwesenden Gäste taktvoll in das moderne Mysterienspiel mit einzubinden. Den Aktivisten, beteiligten Artisten, Netzwerkern, Musikern, Filmkünstlern und Tänzern der vor Ort agierenden Gruppierungen des Netzwerks „Die Neue Energie Bewegung“ bilden ist es bewusst, das sie eine reflektierende und regulierende Funktion haben. Ihre Worte und ihr Handeln, Ihr zum Ausdruck bringen von vorhandenen sowie fehlenden Elementen des gesamten Events wirken harmonisierend, wie ein magischer Spiegel. Auf diese Weise wird jedem/r BesucherIn eine Vielzahl von Möglichkeiten geboten, sich auf verschiedene Ebenen des Geschehens einzulassen, ... umrahmt von erstaunlichen Natur-Aufnahmen, die dem Auge wie dem Ohr über Video-Grossbildprojektionen und verteilte Lautsprecher dargeboten werden.

Kern des Ritus der Walpurgisnacht sind Motive keltischer Mythologien, wie mächtige Feen und Helden, „die in den kultischen Schichten indogermanischen Bewusstseins angesiedelt sind“, so die Historikerin Heide Götter-Abendroth. Der mythische Kampf der Darstellungen handelt von der Befreiung der Göttin aus den Bereichen der Unter- oder Anderswelt (bzw. aus der patriarchalen, linearen, hierarchische Ordnung die im „ein-Gott-Glauben“ gipfelte und die Muttergöttin zurückdrängte) und das Willkommenheißen, der durch sie symbolisierten Fruchtbarkeit und des Wachstums. In dieser Nacht empfängt die „neu erwachende“ Erdgöttin ihren auserwählten Heros, der sich im Herbst parallel zur sterbenden Vegetation (der Göttin) opfern muss, um im kommenden Frühling wieder verjüngt aufzuerstehen.

Es besteht auch eine Gefahr: nämlich, dass der Held der sich für sie qualifiziert hat, beim Drachen-Kampf (Kampf mit dem Unterbewusstsein und eigenen Ängsten) in einen nahezu bewusstlosen Zustand gerät und ein falscher Held sich eindrängt. Dann wäre Die Heilige Hochzeit, Kern des Ritus zur Walpurgisnacht verhindert und Fülle, eine reiche Ernte und die geburt neuer Babys gefährdet. Wenn für die Menschen alles gut verläuft, dann kehrt der Heros verjüngt zurück in den Frühling, um nach der „Heiligen Hochzeit“ die frisch (wieder-)erweckte Maiengöttin in den neuen Jahresabschnitt zu geleiten, auf dass sie in ihrer ganzen Kraft in Erscheinung treten möge.
Die sich bei dieser „Heiligen Hochzeit“ bündelnde Energie steuert ihren nächtlichen Höhepunkt an, parallel zu „Wiederkehr Göttin“ (als Synonym für die weiblichen Kraft) der deutsche „spoken poetry“ Sänger und Künstler Thomas D (Mitglied der Fantastischen Vier) überraschend und unangekündigt eine Lesung hält, indem er seinen Songtext „Gebet an den Planet“ vorträgt, was uns Teilhabende aus dem wilden Feiern und Jubeln heraus verstummen lässt.

Das Erscheinen von Heros und Göttin und der Stimme des bekannten Künstlers wirkt für einen ausgedehnten Moment aufbrausend und erfrischend, jedoch vor und nach Ihrem Erscheinen und Wiedereintauchen in die Menge, wird die nächtliche Kunstinstallation das Geschehen vor Ort eher hintergründig - also von innen heraus - unterstützen. Entsprechend spürbar ist die Ausrichtung auf ein sanft stimulierendes Konzept mit fließenden Projektionen, naturfarbener sanfter Ausleuchtung wie durch Fackeln und rhythmusfreie, hintergründige Klangräume), die dem Echtzeitprozess und der Vielschichtigkeit des Happenings nicht entgegenwirken.

Des Vormittags, nach sanftem übergleiten in ein Tagesprogramm, gestalten sich naturbewusste und Generations-überbrückende Möglichkeiten für gemeinschaftliche Aktionen (Kinderspielshows und Aufräum-Theater), begleitet durch die Einladung von Schul- und Kindergartenklassen durch den Heidelberger Naturschutz Bund und durch die Verlagerung der alljährlichen ‘Freiwilligen Aufräumaktion’ der Zugangswege und der Thingstätte in den Mai.

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