William Seward Burroughs

“Wir haben uns aufgemacht, neue Welten, neue Wesenheiten und neue Bewusstseinsformen zu erschaffen.”

 

BIOGRAFIE

 

W.S. Burroughs (* 5. Februar 1914; † 2. August 1997) erlebte eine wirre Kindheit, infolge dessen er mit der gesellschaftlichen Ablehnung seiner Homosexualität zu kämpfen hatte, Depressionen bekam und Heroinsüchtig wurde. 1936/7 begann er medizinische Studien in Wien, schloss in englischer Literatur ab. Nach dem Abbruch weiterer Studien zur Anthropologie an der von ihm verhassten Harvard-Universität reiste er nach Mexiko, wo er am 6. September 1951 in Mexiko-Stadt aus Versehen seine Frau Joan Vollmer - mit der er einen Sohn hatte - erschoss, als beide betrunken Wilhelm Tells Apfelszene nachstellen wollten. Daraufhin musste er Mexiko und Südamerika verlassen und ließ sich anschließend in Tanger (Marokko) nieder. Mit einem zufälligen Treffen im Pariser „Beat-Hotel“ begann 1958 die lebenslange Freundschaft zwischen Brion Gysin und Bill Burroughs, aus der die einflußreichste Künstler-Kollaboration des 20. Jahrhunderts hervorging. 1959 erfand Gysin die „Cut-up-Methode“ und entwickelte mit Ian Summerville die "Dreamachine" als kinetisch-psychedelische Vorrichtung, die (ebenso wie moderne Mindmachines) durch das Betrachten von flickerndem Licht wirkt. Im selben Jahr veröffentlichte Burroughs seinen epochalen Roman "Naked Lunch" und löste damit in den USA den letzten Zensurprozess aus.

In den frühen 1960ern siedelte Burroughs nach London über, wo im selben Jahr mit Brion Gysin erste Cut-ups veröffentlicht wurden. Als Ginsberg seinem alten Guru einen Bericht seiner unter „Yage“ (einem Ayahuasca-Analog) erfahrenen Visionen schreibt, beantwortet Burroughs seine Briefe mit einem poetischen Cut-Up, die „I am dying meester?“ betitelt, in „The Yage Letters“ publiziert wurden. Burroughs entwickelte die literarischen Cut-ups zur Fold-in-Methode, die er in seinem 1964 erschienenen "Nova Express" anwendet weiter. Er beginnt erstmals die Sprache als einen Virus - ein virales Transportmittel für neurolinguistische Programmierungen - der sprachlich konstruierten Wirklichkeit zu erkennen. Eine Anschauung, die er vor allem 1971 in "Electronic Revolution" zu Methoden weiterentwickelt, wie diese Viren unter Einsatz von Kassettenrecordern als "Waffen, die das Bewusstsein verändern" (Electronic Revolution) und zur Agitation und Subversion eingesetzt werden können. Zur Dekodierung der Massenmedien, sprich der Unterbrechung zwanghaft gebildeter Assoziationsketten, für den Straßenkampf, um Verwirrung zu stiften, zur Diskreditierung politischer Gegner, sowie zur Integration neuer Paradigmen und konstruktive Selbst-Programmierung.

Nachdem er in den 70ern zurück nach New York gezogen war, wurde Burroughs in der Kulturszene (z.B. Andy Warhol, Mick Jagger, Robert Anton Wilson) beliebt und seine Lesungen wurde von einer zunehmend begeisterten Zuhörerschaft besucht.

In den 1980ern war er entgültig zur Ikone der Popkultur geworden, arbeitete u.a. mit Laurie Anderson, Genesis P. Orridge zusammen und erschien in Gus Van Sants „Drugstore Cowboy“ sowie Klaus Maeks Film „Decoder“. Aus diesen Jahren stammen auch die meisten Tonaufzeichnungen seiner Werke. In Zusammenarbeit mit dem Regisseur Robert Wilson und dem Musiker Tom Waits entstand das Theaterstück „The Black Rider“, das 1990 im Thalia-Theater in Hamburg ur-aufgeführt wurde. An den Folgen eines am Vortag erlittenen Herzanfalls verließ William S. Burroughs daheim in Lawrence, Kansas, seinem Körper am 2. August 1997 um 18:50 Uhr.

 

Maßgeblicher Beitrag zur Bewusstseinsforschung


Die für die Literatur und Mediengeschichte folgenreiche Begegnung von Allen Ginsberg und Jack Kerouac und dem zwölf Jahre älteren Burroughs, Ende 1943 in New York, bildete die Keimzelle der später sogenannten „Beat-Generation“.

Doch während Ginsberg und Kerouac in den 50er und 60er Jahren weltweit Ruhm und Anerkennung einheimsen, blieb William S. Burroughs zunächst der Mann im Hintergrund: „El Hombre Invisible“, der “Unsichtbare“, wie er in Tanger genannt wurde. Nach dieser Begegnung in der Jazz-Metropole New York begann Burroughs seine gelegentlichen Schreibversuche zu intensivieren und er wurde erstmals Drogenabhängig. Über 30 Jahre hinweg verfasste er in Mexico, Südamerika, Tanger, London und wieder New York ein faszinierendes Werk, das die Auswüchse unseres Medien- und Computerzeitalters vorausahnte und den Begriff der „elektronischen Revolution“ prägte. Sein Roman „Naked Lunch“ ließ ihn zum Kultautor der 60er und 70er Jahre werden, sodass Patti Smith und Laurie Anderson ihn zum literarischen „Übervater“ ernannten. Burroughs selbst war fasziniert von Hassan I Sabbah, einem mittelalterlichen Ossama Bin Laden und Anführer der Assassinen Sekte, die im Jahre 1257 in Syrien existierte. Burroughs, der sich selbt „Hashisheen“ und „Attentäter auf die tyrannische Welt“ nannte, fühlte er eine starke, seelische Verwandtschaft zu Hassan I Sabbah. In seinem Poem „Der alte Mann vom Berg“ ließ er dessen Geist durch sich sprechen und die endenden 60er Jahre kommentieren.

Die Grundlage von Burrough's Theorie der Cut-ups - die Sprachkode an sich als Virus; sprich virales Transportmittel zu begreifen - ist im „Informationszeitalter“ ein unersetzliches Modell. Burroughs setzte Cut-Ups nicht nur in seinen Romanen ein, sondern experimentierte damit, wie mit bestimmten Schnitttechniken Manipulationen der Umwelt erreicht, bzw. verschiedene Sprachviren (latent im Menschen vorhanden) durch Tonbandaufnahmen aktiviert werden können. Anfang der 90er Jahre transportierte David Cronenberg in der gleichnamigen Verfilmung des Buchs „Naked Lunch“ die Themen Simulation der Wirklichkeit, Mutation und Symbiose mit dem Anderen in die Kinosaale der Welt. Darin bringt die Käfer-Schreibmaschine - als Metapher für die transzendente Einheit, sprich Synergie mit dem Geist in der Maschine - die generelle Sehnsucht der Beatkultur zum Ausdruck, mit einer stetig technologischer werdenden Umwelt zu verschmelzen. Ein weiteres Produkt dieser Sehnsucht ist die „Dreamachine“ - seinerzeit das erste Kunstwerk der Welt das mit geschlossenen Augen betrachtet werden konnte. Die von Gysin und Burroughs entwickelte und aufgrund ihrer 13 hz Lichtflickerfrequenz beim Betrachter Tagträume induzierenden Dreamachine (die als Vorläufer der 90er Jahre Brain- und Mindmachines zu betrachten ist) war Resultat der frühen Tranceforschung. Beide Liebhaber der traditionell marokkanischen, tranceinduzierenden Jajouka-Musik hatten verstanden, dass die Erforschung des inneren Raumes so alt ist, wie die Menschheit selbst.

 

Beziehung zum (bzw.) Rolle für den Herausgeber


Im Rahmen meiner Arbeit zur Gestaltung des Plattencovers “50th Anniversary of LSD“ (Source Records 1993) ließ ich die unter LSD erfahrbare Intelligenz zu Wort kommen, die aufgrund des Wegfallens unserer Wahrnehmungsfilter zugänglich wird. (...) „Um Unabhängigkeit von außerirdischer Unterdrückung zu erlangen sind fünf Schritte notwendig

1. Ruft eine neue Aera aus und installiert eine neue Zeitrechnung

2. Ersetzt die Sprache der Außerirdischen

3. Zerstört oder entmächtigt die Götter der Außerirdischen

4. Zerstört die außerirdische Maschinerie des Systems der Kontrolle

5. nehmt das Eigentum, das Land einzelner Außerirdischer

Dieses 'Tribut an Albert Hofmann' war der stetig wachsenden global-verwobenen-Gemeinschaft gewidmet, dem anonymen dervish-tanzenden Rave-Movement; das die Frequenz der Wahrheit miteinander teilte und für-ein-ander Sorge trug. Auf der, mit Tom Kubli (Planet Jazz) produzierten, Ambient CD „True Frequencies“ habe ich das William Burroughs Sprachsample „Death is the seed from wich I grow“ als Widmung verwendet, denn es war seine Art der Herangehensweise, die mir auf die Sprünge half, in meinen eigenen Tonkollagen der zutage tretenden Häufung von Zufällen, synchronen Ereignissen und Gleichnissen mehr Beachtung zu schenken. Für mich, als im Zeitalter der Informations-Überladung aufgewachsener Babyboomer, zählt Bill als mutiger Lehrern und Forscher zu meinen Helden. Sein unermüdliches Wirken und die Nutzung von LowTech Magnetband-Aufzeichnungen machen den Weltenreisenden Mittelstürmer und Tüftler Bill Burroughs zum Vorreiter des modernen Medien-Schamanen und Realitäts-Hacker. Und es wäre Bills Anliegen, wenn  ich darauf verweise, seine Cut-up-Technik nicht allein im Zusammenhang mit seinem literarischen Werk zu beachten, sondern weit darüber hinaus zu denken. Was Burroughs in der „Cut-Up“- und „Fold-In“-Technik zum Ausdruck brachte, war sein Verständnis bzgl. der Mittel und Wege, den linearen Tunnel des westlich-materialistischen Bewusstseins zu überwinden - um sozusagen durch den „Technologischen Uterus“ unserer alltäglichen Wirklichkeit, in eine spirituelle Dimension der Wirklichkeit Wiedergeboren zu werden. Seine „Cut-up-Methode“ übertrug Techniken in die Literatur, die in der Malerei seit langem als Montage und Collage Anwendung gefunden hatten, und gab dem automatischen Schreiben der Surrealisten ein praktisch-technisches Instrument in die Hand. Bills Methode war, ist und bleibt eine enorme Waffe in den Händen der, mit dem PC ausgestatteten, CyberKultur- und Kommunikations-Guerillia, die der Konsensrealität einer „staatlich verordneten Wirklichkeit“ kritisch gegenübersteht. In einem T.O.P.Y. Manifest aus den 80er Jahren heißt es: "Kein Wort des heiligen Textes darf verändert werden. Wir sagen: Unsinn, das unveränderte Wort ist der Virus des Zwangs! Macht es wie Brion Gysin und William S. Burroughs. Seid Hacker, Zerschneidet das Wort, loopt es, sampled, zerlegt, kodiert, de-kodiert und setzt es neu zusammen - nach euren eigenen Vorstellungen! ”          

 

Veröffentlichungen (Auszug)

  • Minutes To Go (mit Gregory Corso, Brion Gysin und Sinclair Beiles) (1950)
  • Junkie (unter dem Pseudonym William Lee) (1953)
  • Ali’s smile and naked Scientology (1955)
  • Naked Lunch (1959)
  • The Exterminator (mit Brion Gysin) (1960)
  • Die Nova-Trilogie:
    • The Soft Machine (1961)
    • The Ticket That Exploded (1962)
    • Nova Express (1964)
  •  The Yage Letters - auf der Suche nach Yage (mit Allen Ginsberg) (1963)
  • Port of Saints (1967)
  • The Last Words of Dutch Schultz (1970)
  • The Job (1970)
  • The Wild Boys (1971)
  • Desert Devorant – The Process (1975)
  • Port of Saints (1975)
  • 23 Skidoo (1978)
  • Oeuvre Croisee – The Third Mind (mit Brion Gysin) (1978)
  • Early Routines (1981)
  • The Place of Dead Roads (1981)
  • Ah Pook is Here, Nova Express, Cities of the Red Night (1981)
  • Das Buch vom Aaatmen (1981)
  • A Report from the Bunker (Victor Bockris with William Burroughs) (1982)
  • Here to Go: R-101 - Terry Wilson (mit Brion Gysin und Bill Burroughs) (1982)
  • The Place of Dead Roads (1983)
  • Queer (1985)
  • The Western Lands (1987)
  • Rapid Eye 1 (Interview mit Burroughs) (1989)
  • The Adding Machine: Selected Essays (1993)
  • Interzone (1990)
  • Rapid Eye 2 - Simon Dwyer (W.S.Burroughs Contribution) (1992)
  • The Ghost of Chance (1997)

 

Film- und Tonträger

  • Call Me Burroughs (USA 1965)
  • Nothing Here Now But The Recordings (GB 1981)
  • Research # 4/5 Special Book Issue (USA 1982)
  • Decoder (Film, Handbuch und Vinylalbum) (D 1983)
  • Break Through In Grey Room (GB 1986)
  • Commissioneer of Sewers (D 1986)
  • Thee Films 1950s - 1960s (GB 1987)
  • Dead City Radio (USA 1990)
  • Spare Ass Annie and Other Tales (USA 1993)
  • Death Is The Seed - True Frequencies (D 1996)
  • Arizona Tracks - Red Eye (D 1997)
  • The Best of William Burroughs from Giorno - Poetry I-IV (USA 1998)
  • Der Alchemistische Kongress CD/CDRom (Ton- & Textbeitrag) (Ger 1998)
  • Hahisheen – the end of law (2003)

 

Weblinks

http://flavorwire.com/148558/97-things-you-didnt-know-about-william-s-burroughs

 

http://www.goodreads.com/author/quotes/4462369.William_S_Burroughs

 

 

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