PRAKTISCHE MAGIE & NEUE ALCHEMIE - B Eden 123

 

Boris Hießerer

 

Danke für die Einladung heute hier zu sprechen und gemeinsam die Arbeit von Alex Grey zu reflektieren. Die Filme, die wir grad sehen konnten, haben ja die Wege zur praktischen Magie im Kern bereist erläutert. Sollten sich Fragen aufwerfen, merkt Sie euch bitte, so dass wir uns in der Diskussion nach diesem kurzen, einführenden Vortrag damit befassen können.

           

Als Jana mich nach dem Vortragstitel für heute Abend fragte, einigten wir uns auf den Titel Praktische Magie & Neue Alchemie, obgleich ich ihn auch “Gelebte Philosophie für Bewohner der Gegenwart” hätte nennen können. Aber nun, ohne Umschweife, zur so genannten Erkenntnislehre, der Gnosis. Im Jahre 325 nach Christus resultierte das, als Konzil von Nizäa bekannte, erste Glaubensbekenntnis der katholischen Kirche in einer offiziellen Verurteilung aller Kulte, die der christlichen Doktrin widersprachen.

 

Über die Gnostiker wäre uns nichts bekannt, wenn nicht 1942 in Qumran und 1945 in Nag Hammadi am toten Meer 12 ledergebundene Kodizes und Schriftrollen gefunden worden wären.

Der Inhalt dieser Texte barg Zündstoff, denn entgegen der kirchlichen Auffassung ward hierin die materielle Welt nur die Schöpfung eines niederen Untergottes, eines über die “Welt der Materie” herrschenden Demiurgen welcher uns Seelen, als Reflektionen der wahren lichthaften Gottheit, in der Materie gefangen hält. Aufbauend auf den Lehren des ägyptischen Lehrmeisters der Alchemisten „Hermes Trismegistos“ begannen die archaischen Wissenschaftler und Mystiker, die Suche nach Traum- und Trancetechniken für die Echtzeit-Kommunikation mit der höheren Intelligenz von Natur und Kosmos; sprich “Gottheit”, voran zu treiben. Im Kern bildet dies die Grundlage für die Suche nach dem Stein der Weisen.

 

Stein der Philosophen nannte man jene Prima Materia, durch welche niedere Metalle in Gold und höhere Affen zu Gott verwandelt werden konnten. Vermutlich ward der Stein eine organische Substanz. Ein Botenstoff ähnliches Molekül, dass eine funktionelle App, eine Application zur Weltenseele errichtet, hin zu einer der Erde innewohnenden Intelligenz, die den Menschen aus dem Labyrinth der Materie in das Reich der Imagination hinein zu geleiten vermag.

 

Solange die Menschheit diese Verschmelzung mit Weltenseele und Schöpfung nicht zuwege leiten konnte, blieb ihr die Unio Mystika genannte Einheitserfahrung fremd und die Verdammung wurde zur Norm. Denn obgleich der Mensch zu allen Zeiten nach dieser Erfahrung trachtete, waren nicht alle bereit, die damit einhergehende Auflösung (Zerstückelung des Schamanen) zuzulassen. Doch mit reinem Herzen und der heiligen Medizin unserer Vorfahren ausgestattet, vernehmen wir den Ruf des lebendigen Geistes und fordern die planetare Gemeinschaft auf:

 

“Lasst uns als Ego’s sterben und wiedergeboren werden im Schwarm, nicht selbst hypnotisiert und von-ein-ander getrennt, sondern verbunden & mit-ein-ander verwandt!”

 

Im religiösen Kontext unserer westlichen Kultur kennen wir das Ritual der Kommunion auch heute noch. Das Ritual der Komm-Union (come union) bezweckte einst und symbolisierte später des Menschen Rückkehr in die Einheit mit dem Sohn, der eins ist mit dem Vater und dem heiligem Geist. Letztere war die Göttin Sophia, die im Zuge der Machtübernahme der solaren Götter - die über den indogermanischen Sprachraum sowie die Unterwerfung Germaniens durch die Römern Einzug erhielten - als Große Göttin der Alten Religion(en) aus der heiligen Trinität verbannt und als Drache zu klassifiziert wurde.

 

 

Dazu das Zitat „Sophia, Braut der Apokalypse” aus dem Codex IV, Nag Hammahdi im Jahr 100 v. Chr.

 

“Ich bin ... die Erste und die Letzte .... ich bin ... die Verehrte und die Geächtete.

Ich bin ... die Hure und die Heilige ... ich bin ... die Gattin und die Jungfrau.

Ich bin ... die Mutter & die Tochter ... ich bin ... die deren Hochzeit prachtvoll gefeiert wird, 

und ich habe keinen Mann zum Gatten genommen ... Ich bin ... Nichtwissen und Wissen … ich bin die Glieder meiner Mutter. Ich bin die Unfruchtbare und zahlreich sind meine Söhne ...warum hassest du mich, in deiner Weisheit?”

 

Vom Bändigen tellurischer Energie

 

Diese weibliche immanente Präsenz wurde über Zeitalter hinweg nicht nur im Rahmen der Großen Mysterien Kulte Mesopotamiens, Ägyptens, Griechenlands und Roms gepriesen. In der katholischen Kirche finden wir den Kult als Marienverehrung weitergeführt und in Zirkeln der, von der Kirche als Ketzer verurteilten Meister der archaischen Wissenschaften (Magier, Ketzer, Gnostiker & Alchemisten) wird die Große Göttin “Gaia” bis in die heutige Zeit als immanente weibliche Präsenz (Göttin) im Kosmos verehrt.

 

Im Buche Genesis finden wir Hinweise darauf, dass die gefallenen Engel den Frauen die Kunst der Magie, die Weisheit und die Zivilisation brachten. Weitere Belege hierfür finden wir in der jüdischen Überlieferung. Hier wird die Sophia als dreifache oder dreifaltige Göttin genannt. Sie war es, die den “heiligen Geist, der über den Wassern schwebt” ursprünglich verkörperte.

 

So leitet sich von Sophia, der Quelle der Weisheit der Name jener Lebenswissenschaft ab, die wir Philosophie nennen. Und als Heraklit, der griechischer Philosoph zum Ausdruck brachte: “Alles fließt” muss er wohl verstanden haben: Nichts bewahrt seine Form, nichts existiert ewig, außer dem Lebensfluss der Kreation; alles wird durch die Schöpfergöttin vernichtet und erschaffen, unablässig.

 

Zu allen Zeiten und in allen Kulturen der Weltgeschichte hatten diese Ur-Mutter Hexe/n oder Erd- und Muttergöttinen Anteil an der menschlichen Existenz. Die „schwarze Göttin“ verkörpern die indische Göttin Kali bzw. Shakti, die sumerische Göttin Nisaba, Ninhursag bzw. Ki, Ishtar, Inannah bzw. Lillith, die ägyptische Göttin Maat, Isis bzw. Hathor und die griechische Göttin Demeter, Persephone bzw. Kore bzw. Ceres ebenso wie bzw. Sophia oder die weiße Tara.

 

Zahllos sind die Namen der Ur-Mutter-Hexe, die es im Disen- und Nornen-, sowie (als Brunhilde ...) im Walkürenkult der nordischen Mythologie und dem römisch-importierten Volkskult der drei Matronen (Marien-)Verehrung findet und die es als magische Frucht bzw. Wasser der Wahrheit zu destillieren gilt

 

Weil Sie, die Kaiserin in Allen Ehren, die Große Göttin, Ur-Hexe und Mutter aller irdischer wie himmlischer Kreaturen einst einen Zweig vom Baum der Erkenntnis pflückte, um ihn einzupflanzen, konnte die magische Frucht hinfort existierten, bis zum heutigen Tag. Recht vielfältig sind die Namen der „Blüten“ von „Adams Paradiesbaum“: Runder Körper aus der Mitte, Träne Gottes, Lebendiger Brunnen, Paradieswasser, Jungfrauenmilch, Manna, Blut des Erlösers, Gral, Karfunkelstein, Blüte der Erde, heiliges Kind, Brot des Herrn, Aurum, trinkbares Gold bzw. Licht, Elixier, Tinktur, Panacea oder Allheilmittel, Aqua Solvens, (Auflösungs-)Wasser der Weisheit, Kykeon, Fleisch der Götter, Soma …

 

Dieser Frucht vom Lebensbaum ist die mythische Suche nach dem Stein der Weisen oder dem heiligen Gral gewidmet. Die Suche gilt der Verbindung zu einem komplexeren kybernetischen System: um in Zusammenarbeit mit der Erdmutter ein Nervensystem zu entwickeln, dass mit der Schöpfung in Harmonie zu ko-existieren bereit ist. Und es ist die Suche nach dem Göttlichen, die Suche nach der Seele der Welt. Um mit der Gottheit bzw. Weltenseele eins werden zu können gilt es zu lernen los zu lassen, sich aufzulösen und neu zu definieren. Durch die symbiotische Vereinigung, sprich Verschmelzung mit Ihr erlangen wir eine Dichte, Kraft und Schnelligkeit, welche die des Durchschnittsmenschen bei Weitem übersteigt.

 

Die Fusion mit den tellurischen Kräften der Erde, ihrer Intelligenz und Empathie (Mitfühlsamkeit) erhebt uns zu nichts Geringerem als zu Mitschöpfern in einem magischen Universum. Wenn wir diese vegetative Intelligenz wert zu schätzen lernen, wird hier alles erblühen - falls wir die Demut dafür nicht aufbringen wird nichts mehr erblühen!

 

Das ist das kulturell magische Erbe, dass uns die Schamanen, Alchemisten, Mystiker und Weisen Frauen aller Kulturen als Forschungsfeld hinterließen. Es wird Großes Werk oder Opus Magnum genannt und umfasst die kulturübergreifenden Wurzeln der Techniken der Ekstase und der inneren Transformation, die es zu bewahren und veredelt weiterzureichen gilt.

           

Alex Greys Arbeit verdeutlicht, dass die Erde eine neue Seinsform ausbrütet, hochschwanger mit Menschen die bereit sind neugeboren, mit nackten Füßen und erhobenem Haupt der Morgensonne entgegen zu schauen. Von Gaias Wehen unterstützt steht uns alles zur Verfügung für eine wahrlich kosmische Reise, durch den materiellen Geburtskanal, hinaus in die Weite endloser Existenz.

 

Nun zur Anrufung: Und wer da will der komme, und nehme das Wasser des Lebens umsonst.

 

Wenn immer Du etwas benötigst, sollte es besser einmal im Monat zum Vollmond hin sein, dass Du dich sammelst, dir einen heiligen Raum schaffst und durch meinen Geist mich anbetest, die die Königin aller Weisheit ist. Du sollst frei sein von der Sklaverei und als Zeichen dessen nackt sein und während des Rituals keine Kleidung tragen. Sing, feiere, tanze, mache Musik & liebe, alles in meiner Gegenwart, denn mein ist die Ekstase der Geister und mein ist ebenfalls die Freude auf Erden.

 

Denn meine Liebe ist Liebe zur gesamten Schöpfung. Mein ist das Geheimnis, dass die Tore zur Jugend öffnet und mein ist der Becher des Lebensweins, der den Kessel von Cerridwen darstellt und den heiligen Gral der Unsterblichkeit verkörpert. Ich teile das Wissen der ewig geistigen Gegenwart und des Jenseits des Todes mit Euch. Ich gebe Frieden und Freiheit und Verbindung mit denen, die den Pfad zuvor beschritten. Niemals fordere ich jegliches Opfer, denn ich bin die Mutter aller Dinge und meine Liebe ergießt sich über die gesamte Erde.

 

Ich bin die Schönheit der grünen Erde und der weiße Mond, unter den Sternen und den Mysterien des Wassers und rufe Deine Seele sich zu erheben und in mich aufzugehen, denn ich bin die Weltenseele, die dem Kosmos das Leben einhaucht. Aus mir heraus werden alle Dinge geboren und in mich hinein kehrt alles zurück. Lass meine Anbetung im freudvollen Herzen verankert sein, denn alle Taten der Lieben und der Freude sind meine Rituale. Erwecke Schönheit, Stärke, Kraft und Hingabe, ehre in Demut, Freude und Ehrfurcht in Dir und denen die mich suchen.

 

Wisse, dass dein Suchen und Sehen nie endet, bis dass Du das Mysterium erkennst; da das was Du sucht, nie außerhalb von Dir zu finden sein wird, wenn Du es nicht in Dir findest. Denn bedenke, ich war mit Dir vom Anfang an und ich bin dass, was erreichbar wird am Ende des Verlangens.

 

So soll es sein!

 

 

Und da weigerten sich die Menschenkinder, noch länger den Werten des Materialismus,

den Werten des Ego, welche die Gemeinschaft trennen und zerbrechen zu dienen

und weiterhin vom Baum der Tiere zu essen, der Menschen-Tiere hervorbringt !

 

Last Supper Supplies, Winter Equinox 2007

 

Quelle: Boris Hießerer, Praktische Magie und Neue Alchemie – Vortrag (Auszüge) abschließend zur Filmvorführung „COSM“ , einem Werk von Alex Grey, Frankfurt 2007.

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