Dr. Albert Hofmann: Glück Im Schauen

Im Rahmen der ‘PARADIES‘ genannten Ausstellung versammelten sich auf dem Heidelberger Schloss Zuschauer und Forscher, um folgenden Fragen auf den Grund zu gehen: Sind Drogen der Schlüssel ins Paradies? Erweitern Drogen das Bewusstsein? Sind sie die Äpfel vom Baum der Erkenntnis? Führen sie ins Paradies oder aus dem Paradies heraus, wie im biblischen Schöpfungsmythos? Der Wissenschaftler Herr Dr. A.Hofmann und der ‘Rave New World‘-Herausgeber ‘Boris Hiesserer‘ trafen sich im Innenhof des Schlosses und es entstand ein kurzer Austausch zwischen Alchemisten, die zwei Generationen von Bewußtseins-Forschern zuzurechnen sind.

 

Wer Ihn nicht kennt, dem liegt der Gedanke fern, dass der gepflegt wirkende, muntere Herr mit dem schneeweißen Haar, der in Begleitung des Veranstalters die Treppen hinauf kommt, die heftigsten Explosionen entzündet hat, mit der je eine chemische Verbindung die Synapsen zum Flackern und die Imagination zum Erblühen gebracht hat. Der fast 94-jährige Wissenschaftler entdeckte heute, vor 56 Jahren, als Leiter der Forschungsabteilung bei Sandoz, nach akribischen Untersuchungen den Stoff, der als LSD bekannt wurde. Seither setzt er sich für den verantwortungsbewussten Umgang mit dieser psychoaktiven ‘Droge‘ ein.

 

Während Timothy Leary am liebsten LSD in die Trinkwasserversorgung von Los Angeles geschüttet hätte, lehnte Albert Hofmann Legalisierungs-Forderungen, zu allen Zeiten klar und deutlich ab, und wie der befreundete Aldous Huxley hat er die Freigabe seines Sorgenkindes LSD, einzig und allein im medizinisch-therapeutischen Bereich in Betracht gezogen. Gottfried Benn‘s Zitat und schillerndem Wortspiel “Gott ist eine Substanz“ entsprechend, lautet seine Kernaussage in Bezug auf den Gebrauch psychoaktiver Botenstoffe, dass diese Stoffe, wie bei den eingeborenen Völkern, im rituellen Kontext - also nur zeremoniell - genutzt werden sollten.



Und gleich wird der Avatar, dessen Entdeckung unvermindert neue Welten offenbart und eine Kraft bildet, die die Flower-Power Bewegung der 68er und die Acid-House und Techno-Trance-Kultur so entscheidend geprägt hat, vor einigen hundert Menschen sprechen, die sich im Saal der Ausstellung zusammen gedrängt haben. Ich grüße freundlich, als Professor Dr. Rolf Verres mich zu sich und Herrn Hofmann ruft und anmerkt, dass ein Vorträge von Albert in unser CDROM-Projekt ‘Der Alchemistische Kongress‘ eingebunden wurden. Der Pionier der modernen Bewußtseinsforschung reagiert schnell und erinnert sich auch spontan an die Titel seiner Arbeiten, die er verfasst und uns zur Verfügung gestellt hat. “Ja ‘Wissenschaft und mystische Welterfahrung‘ und ‘LSD - ganz persönlich‘“, antwortet er. Somit ist der Moment eröffnet für ein paar Einblicke in die Welt des Naturphilosophen, welche die Rave New World Crew nun mit euch teilen möchte.



Bevor ich den gemeinsamen Moment für ein kurzes Gespräch nutzen kann, tauchen zuerst einmal allerlei Gedanken auf.



Herr Dr. Hofmann, ich möchte gern mit Ihnen telepathieren und einige Minuten Ihrer Ewigkeit in Anspruch nehmen.
Ja, tun sie das, während wir jetzt hier sind.



Sie vermitteln für Ihr recht fortgeschrittenes Lebensalter einen fidelen und sehr wachen Eindruck.
So, vielen Dank.



Steht das mit Ihren LSD-Erfahrungen in Verbindung?
Wer kann das sagen.



Ich denke, einige meiner vorrangigen Fragen sind vielleicht eher durchschnittlich.
Nun, bei deren Beantwortung dürfen sie aus meinen Schriften zitieren.



Sogleich bemerkte ich, dass die erste geplante Frage, Was hat Sie denn bei Ihren LSD-Versuchen am tiefsten beeindruckt und zu welchen neuen Erkenntnissen sind sie durch diese Erfahrungen gelangt?, bereits von Dr. Hofmann beantwortet wurde und in seinem Buch ‘LSD mein Sorgenkind ‘nachzulesen ist.
“Der erste geplante LSD–Versuch war deshalb so tief erschütternd und erschreckend, weil die Alltagswirklichkeit und das sie erlebende Ich, die ich bis dahin allein für wirklich gehalten hatte, sich auflösten, und ein fremdes Ich eine andere, fremde Wirklichkeit erlebte“ Auch beschreibt er die Auswirkungen der LSD Erfahrung, als ein “Wachrufen und Fördern der mystischen Naturerfahrung,“ wie er sie bereits als Kind erlebt hatte. So ist schon im Vorwort des Buches zu lesen: “In meiner Knabenzeit hatte ich auf meinen Streifzügen durch Wald und Wiesen einige beglückende Erlebnisse. Sie waren es, die mein Weltbild in seinen Grundzügen bestimmten, indem sie mir die Gewissheit vom Dasein einer dem Alltagsblick verborgenen, unergründlichen, lebensvollen Wirklichkeit gaben.“ und weiter. “Die wohl wertvollste Erkenntnis besteht ja darin, wieder zu wissen, wohin man gehört; ein Teil zu sein der lebendigen Natur.“



Und auch die Frage, Kann man Sie als einen gläubigen Menschen bezeichnen, der von der Existenz einer höher-oktavierten (schwingenden) Intelligenz ausgeht?, war bereits durch Aussagen in seinen Vorträgen beantwortet worden, wie das in Gedanken auftauchende Zitat belegt:
“Es gibt ja Wissenschaftler wie Descartes, der für seine These selbst einen Nobelpreis verliehen bekommen hat, indem er behauptet hat, die Materie sei unbeseelt und alles was existiert, sei aus reinem Zufall entstanden. Ich denke, daß das nicht der Fall ist! Schauen sie sich doch nur einmal einen Hirschhornkäfer an oder all die komplexen Gebilde in der Natur... ich glaube nicht, dass dies alles ohne den geistigen Bauplan eines Schöpfers hätte entstehen können.“


    
Nach diesen kurzen Gedankenausflügen öffnete ich meinen Mund und stellte meine übrig gebliebenen Fragen.



RNW: Herr Hofmann, ich möchte Sie etwas über das Paradies fragen. Bereits in der Antike haben Dichter wie Theokrit und Vergil das idyllische Hirtenmilieu mit halbmythischen Wesen, Nymphen und Faunen und Göttern wie Pan und Apollo und auch Eros (Amor) bevölkert. Später, in der Renaissance wurde das Paradies als ein mythischer Ort, wo die Menschen im Glück leben, wieder neu entdeckt und Arkadien genannt. Was verbinden Sie mit dem Begriff Paradies?!

 


Hofmann: “Das Paradies ist ja ein mythischer Ort, wo die glücklichen Menschen zu Hause sind. Es ist ein idealisiertes Wunsch- und Traumland; eine Projektionsfläche und ob dieses goldene Zeitalter existiert hat, ist ungewiss! Das Paradies stellt sich zum einen als ein innerer Zustand der Harmonie, des erfüllt-seins vom Glück dar. Andererseits ist der Einfluss unserer Umwelt auf unsere Wahrnehmung sehr ausschlaggebend und so ist das Paradies doch am ehesten in den harmonischen, zyklischen Strukturen der Natur zu finden, in der primären Welt, der archaischen, ursprünglichen Welt, der wir uns wieder zuwenden sollten.“



RNW: Die Forschungen über vorzeitliche Ahnenstämme und deren Know-how in Bezug auf pflanzliche Botenstoffe, verdeutlichen, welch überaus gewichtige Rolle Drogen am Ursprung von Religion und Kultur gespielt haben. Diese Botenstoffe, die zu allen Zeiten verehrt und ‘Kraftlehrer‘ genannt wurden, standen allgemein mit einer Gottheit oder Pflanzendeva in Verbindung. Innerhalb der Neoschamanischen Community betrachteten wir psychoaktive Substanzen als ‘Medizin‘, die das kollektive Bewusstsein (das Herz aller Dinge) und somit das erweiterte (höhere) Selbst; oder religiös ausgedrückt das ‘Christi-Bewusstsein‘ in uns aktivieren können. Sind diese bewusstseinserweiternden Substanzen wichtige ‘Schlüssel‘ (Hilfsmittel) auf der Suche nach uns selbst, nach dem Aspekt in uns, der in einem Großteil der Gesellschaft verloren scheint, was vorrangig bei jungen Menschen zum Ausdruck kommt?



Hofmann: “Nun, was machen die psychoaktiven ‘Drogen‘? Sie öffnen und verstärken unsere Sinne, unsere Tore der Wahrnehmung und die Verbindung wird gestärkt. Die Verbindung zu den kollektiv gespeicherten Erfahrungen der Menschheit und die Verbindung zwischen der geistigen Welt und der materiellen Welt. Unser Schicksal spielt sich ja in der Außenwelt ab. Diese Verbindung geht über unsere Sinnesorgane. In der Fähigkeit, den Empfänger ‚‘Ich‘ auf andere Wellenlänge einzustellen, und damit Veränderungen im Wirklichkeitsbewußtsein hervorzurufen, liegt die eigentliche Bedeutung von LSD und den Ihm verwandten Halluzinogenen. Dieses Vermögen, andere, neue Bilder der Wirklichkeit aufsteigen zu lassen, diese wahrhaft kosmogonische Potenz, macht auch die kultische Verehrung halluzinogener Pflanzen als sakrale Drogen verständlich. Zusammenfassend ist die Wirkung dieser Substanzen, wie z.B. des LSD, dass die Sinne geöffnet und stimuliert werden. Das ist der Sinn dieser Art von ‘Drogen‘. Es geht auch ohne Drogen, das wissen wir. Es geht auch einfach dadurch, dass ich in eine Blume schaue und denke: Wir sind vom gleichen Lebensgeist beseelt und entstammen dem gleichen Schöpfer. Das ist schon einiges wert, wenn man das registriert ist das ein großer Gewinn. Dazu braucht man unter Umständen keine Droge dazu zu nehmen, aber ich denke es ist eine Möglichkeit. Es kommt mir in den Sinn, was Aldous Huxley meiner Frau - sie ist eine Bündnerin und sie kommt aus den Bergen - einmal gesagt hat: “Gehen sie einmal auf eine Alm und schauen sie in das Blau eines Enzians; nehmen sie LSD, dann erleben sie Glückseligkeit.

 

„Es freut mich, dass Sie es solange ausgehalten haben. (Applaus) Ich werde Ihnen heute nichts über LSD erzählen, sondern ich habe ein anderes Thema. Dieses nennt sich ‘Glück im Schauen‘. Aber trotzdem möchte ich LSD erwähnen; eine kurze interessante Definition: „Was heißt LSD?“ Da hat mir ein Freund (Anm. d. Red.: Ernst Jünger) erzählt, mitten in der Nacht wurde er vom Schlaf geweckt. Ein Unbekannter meldete sich und sagte ihm, jetzt wüsste er, was LSD heiße. LSD heiße: “Liebe Sucht Dich“. Wenn LSD mehr Liebe in die Welt bringt, dann macht mir das eine größte Freude, dann wird das LSD von einem Sorgenkind wirklich zu einem Wunderkind. Aber jetzt zum Thema: Glück im Schauen. Das passt ja gut in die Vorträge über das Paradies. Das Paradies ist ja ein mythischer Ort, wo die glücklichen Menschen zuhause sind. Dass man heute, in der heutigen Gesellschaft, über Glück sprechen und das Glück diskutieren kann – in einer Welt in der so viel Elend, wo Krieg ist, wo es soziale Unruhen gibt, wo auch die Erde selbst bedroht ist, durch den Missbrauch und die Ausbeutung der Ressourcen – darf man da von Glück reden? Ich glaube erst recht! Auch schon die alten Philosophen und die Religionsgründer brachten dies zum Ausdruck indem sie sagten: „Glück ist der eigentliche Sinn unseres Lebens“.


Der christliche Glaube verspricht ‘Glück im Himmel‘, der Moslem verspricht sich Glück in einem Szenario vom ‘Paradies‘, und auch die alten Philosophen haben sich in diesem Sinne geäußert. Da wurde gesagt: „Was sucht der Mensch? Als letztes Ziel sucht er das Glück.“ Auch Thomas von Aquin hat das in seinem bekannten Spruch zum Ausdruck gebracht: „Der letzte Sinn des menschlichen Lebens ist Glückseligkeit.“ Und auch moderne Philosophen haben sich dazu geäußert. Marcuse sagt in seinem Buch ‘Das Glück‘: „Wer es verpasst, in seinem Leben nach Glück zu streben, der hat sein Leben nicht erfüllt.“ Also ich glaube die haben ja recht, wenn sie sagen, das sei der Sinn unseres Lebens, denn dem Gegenteil – der Sinn unseres Lebens sei es unglücklich zu sein – dem würde ja niemand zustimmen.


Aber was ist Glück? Glück ist ein Letztes, nicht weiter Erklärbares. Das Glück, könnte man sagen, ist ein besonderer Zustand des menschlichen Bewusstseins, denn ich brauche ja das Bewusstsein um über das Bewusstsein nachzudenken. Aber was ist Bewusstsein? Das ist auch ein nicht weiter zu erklärender Zustand, aber die Philosophen haben es dennoch versucht. Viele sagen, man kann es nicht erklären, andere sagen, es gibt doch eine Definition. Ich möchte doch eine Definition bekanntgeben, die von Jean Paul Sartre. Sartre hat gesagt: Das Bewusstsein ist das Absolute – das Ich. Es ist die ‘transphänomenale Seinsdimension des Subjekts‘. Ich glaube, da kann man sich (nicht) viel darunter vorstellen. (Gelächter)


Ich versuche sehr oft dem Ursinn der Bedeutung nachzugehen. Also wenn man nun das Wort Bewusstsein nach seinem ursprünglichen Sinn analysiert, dann kommt man zu einem erstaunlichen Ergebnis. Bewusstsein! Bewusst hat mitWissen zu tun, sein hat mit dem Sein in unserer materiellen Welt zu tun. Und wenn man das Wort zusammen nimmt, dann heißt das, dass die geistige Welt und die materielle Welt untrennbar sind und zusammen ein Ganzes bilden. Man könnte auch sagen, durch Bewusstsein werden wir uns der Welt bewusst. Und wie werden wir uns nun der materiellen Welt bewusst? Durch unsere Sinne; durch die Tore der Wahrnehmung, unsere fünf Sinne. Halten wir unsere Tore offen, dann wird unser Leben leichter. Es ist interessant, wenn man nun schaut, was für Arten von Glück die verschiedenen Sinne uns vermitteln, was dabei herauskommt und in welchem Zusammenhang unsere verschiedenen Sinne zum Glücklichwerden stehen. Wenn wir damit beginnen – mit, man könnte sagen den animalischen Sinnen – das wären der Geruch, der Geschmack und der Tastsinn – dann sieht man, dass diese Sinne zur Befriedigung notwendig sind für unser leibliches Dasein. Wir brauchen Essen, wir müssen trinken, wir brauchen Sex. Das ganze zusammen dient der Fortdauer des Individuums und der Erhaltung unserer Art. Die Befriedigung dieser Sinne ist von recht kurzer Dauer und sie machen auch gerne süchtig; man kennt die Gefahren der Dauerbefriedigung dieser Sinne. Diese eben genannten Sinne haben mit Besitz zu tun. Um sie zu befriedigen, müssen wir etwas haben, zum Beispiel einen Partner oder eine Partnerin etc.. ‘Haben‘ hat zu tun mit ‘Besitz und Macht‘. Um Besitz und Macht sind Kriege geführt worden und werden noch stets Kriege geführt. Im Gegenteil zu den folgenden zwei Sinnen.


Ganz anders ist die Sache also gelagert mit unserem Gesichtssinn und dem Gehör, von denen ich jetzt sprechen möchte. Sie werden gesättigt durch immaterielle Energie. Beim Hörsinn, was geschieht da eigentlich? Da braucht es einmal Luft und da sind Schwingungen, Kompressionen der Luft. Diese Vibrationen werden durch das Trommelfell, dann durch einen Nerv in das Gehörzentrum geleitet und dort entsteht dann ein Ton. Töne in Variationen von Lärm bis zu denen der Musik. Also den Ton gibt es draußen nicht! In der materiellen Welt, draußen existiert nur Schwingung in der Luft, der Ton entsteht erst in unserem Bewusstsein. Ähnlich ist es auch beim Gesichtssinn. Hier sind es auch wieder unsichtbare, elektromagnetische Wellen, die den Kontakt zur Außenwelt herstellen. Diese Wellen durchfluten das Weltall. Ultrakurze Wellen, die sehr schädlich sind und Krebs erzeugen können bis zu meterlangen Wellen, die zur Übermittlung in der Kommunikationstechnik genutzt werden. Unser Weltgeist hat unsere Augen so geschaffen, dass wir aus diesem unendlichen Spektrum von elektromagnetischen Wellen nur Wellen von 0,3 bis 0,7 Tausendstel Millimeter als Licht wahrnehmen. Innerhalb dieses kleinen Spektrums können wir wahrnehmen und die verschiedenen Wellenlängen unterscheiden. Wenn auf einen Gegenstand Licht fällt und dieser Gegenstand absorbiert einen Teil dieser Wellen und sendet eine Welle von 0,7 Tausendstel Millimeter zurück in unser Auge, dann sagen wir dieser Gegenstand ist rot. Reflektiert er Licht von 0,3 Tausendstel Millimeter, dann erkennen wir diesen Gegenstand als blau. Es gibt jedoch keine Farben in der Außenwelt! Dies ist keine abstrakte Formulierung, es ist eine absolute Tatsache. Das farbige Bild der Welt entsteht in uns; in jedem einzelnen Menschen. Das ist ganz entscheidend, denn es heißt nichts anderes, als dass jeder Mensch ein eigenes Bild der Wirklichkeit erschafft und sein Bewusstsein fähig ist, ein eigenes Bild der Außenwelt zu produzieren. Nur der einzelne Mensch kann sehen, nur im einzelnen Menschen wird die sichtbare Welt Wirklichkeit.


Also sind wir durch das Sehen, durch unsere Sinne, auf wunderbare Weise verbunden mit der Außenwelt. In der Außenwelt gibt es nur farblose Materie. Alles – das ganze bunte Bild der Welt – entsteht in jedem einzelnen Menschen. Und etwas anderes ergibt sich aus dieser naturwissenschaftlichen Betrachtung: Was hat eigentlich den Schöpfer bewogen, diesen Trick anzuwenden, dass wir eine bestimmte Wellenlänge als rot sehen und dann über das ganze Spektrum bis blau? Wenn wir das nicht hätten, hätten wir eine farblose Welt. Dadurch hat er uns – jedem einzelnen Menschen – die Fähigkeit gegeben, ein buntes, farbenfrohes, wunderbares Bild der Welt zu erschaffen und zu sehen. Und mit dieser Gabe ein buntes Bild der Welt zu empfangen, lädt er uns ein, Schönheit zu sehen und uns glücklich zu machen. Das sollte uns unsere Augen öffnen, unsere Augen schärfen, um das, was uns durch die Schöpfung dargeboten wird, dankbar anzunehmen und Dankbarkeit zu zeigen für diese Wunder.


Nun ist es natürlich wichtig wohin man schaut in der Welt. Wenn man heutzutage Fernsehen schaut oder in eine Fabriklandschaft geht, in der Großstadt, oder in eine von der Industrie geprägte, hässliche Umgebung oder ob man dann in die freie Natur geht. Unsere Welt besteht ja aus zwei Welten. Es gibt eine primäre Welt die immer da war, bevor es Menschen gab. Es ist die Welt des Sternenhimmels, es ist die Welt der Erde, es ist die Welt der wunderbaren Geschöpfe der Tier- und der Pflanzenwelt.


Es ist eine zyklische Welt, es gibt den Zyklus der Jahreszeiten, es gibt den Zyklus von Tag und Nacht und es gibt auch den Zyklus unseres Lebens. Wir sind verbunden mit dieser lebendigen, primären Welt.

Die zweite, die sekundäre Welt dominiert heute. Heutzutage wird unser Leben und unser gesamter Alltag bestimmt durch eine Welt, die tot ist, die vom Menschen gemacht ist, und der Mensch kann kein Leben erzeugen. Was ganz generell wichtig wäre, um den Menschen glücklicher zu machen? Wir müssen wieder zurückfinden zur primären Welt, wo wir herstammen, wo unsere körperliche Nahrung und wo unsere geistige Nahrung herkommt. Das ist es, was verlorengegangen ist! Wir müssen schauen und wieder erlernen zu sehen und es ist sehr interessant, wenn man versucht vom gewöhnlichen Sehen zum Schauen zu gelangen.


Wenn man einen Gegenstand wahrnimmt, könnte man verschiedene Stufen unterscheiden. Zuerst: Man kennt einen Gegenstand, hat ihn schon einmal gesehen, aber man beachtet ihn nicht. Die zweite Stufe ist: Man sieht den Gegenstand bewusst. Die dritte Stufe ist: Man beschäftigt sich mit ihm, man untersucht ihn und das ist die Stufe der Wissenschaft. Die Wissenschaft besteht aus der dualistischen Welt der Kenntnis: Hier bin ich – da ist der Gegenstand, den ich untersuche. Und das ist auch die Mentalität der abendländischen Menschen. Durch diesen Dualismus ist die ganze technische Welt entstanden. In anderen Kulturen, wo man sich nicht in dieser Form von der Außenwelt getrennt hat, wo man in der Welt lebte, ist keine Technik entstanden.


Die Technik ist ganz klar ein Resultat des Abendlandes. Nun wir wissen, was dieser Dualismus zu bedeuten hat, denn er hat auch in unserem alltäglichen Leben enorm viel zu bedeuten. Wir sehen unsere Sorgen und unseren Kampf im Alltag. Unser Ich ist beschäftigt mit Problemen, die uns beschäftigen am Tag und in der Nacht. Dinge, die von der Außenwelt hereinkommen, die zusammenhängen mit Besitz und mit Befriedigung und den drei animalischen Sinnen. Das ist, was uns zumeist beschäftigt. Das hat alles zu tun mit Ichhaftigkeit. Wenn es nun gelingt diesen Dualismus zu überwinden, wodurch wir befähigt würden die Außenwelt nicht als außen zu betrachten, sondern möglichst viel von der Außenwelt – durch unsere Sinne, vor allem die beiden geistigen Sinne – in uns aufzunehmen, desto geistreicher werden wir.


Dadurch wird die nächste Stufe des Sehens eröffnet. Wenn wir dann fähig sind, den Dualismus zu überwinden, um uns ganz in den Sinn und in diese lebendige Welt hinein zu versetzen, dann kommt ein Zustand des Glückes und der Liebe zustande. Man kann sagen: „Liebe ist die höchste Stufe der Wahrnehmung“ und man kann sagen: „Wahrnehmung ist die höchste Stufe der Liebe.“


Und diese Änderung des Bewusstseins, von diesem dualistischen, materialistischen Besitzbewusstsein wegzukommen, da gibt es verschiedene Methoden. Wir kennen die Methode des Yoga und der Meditation und da spielt natürlich auch die sinngemäße Anwendung der psychedelischen Drogen eine große Rolle. Eine ganz entscheidende Rolle, die seit dem Beginn der Menschheit genutzt wurde, darüber wurde schon gesprochen und es spielt wirklich eine große Rolle.


Ich komme zurück auf den Titel meines Referates ‘Glück im Schauen‘. Philosophisch ausgedrückt liegt der vornehmste Weg, um in den Besitz der ganzen Welt zu kommen, im Schauen. Wir nehmen niemandem etwas weg, wir sind dankbar dem Schöpfer gegenüber und wir haben wirkliche geistige Erfüllung! Damit möchte ich schließen. (Applaus)

 

Beim Verlassen des Ott-Heinrichbaus ruft ein Junge aus der Zuschauergruppe die noch vorm Eingang steht: “Herr Dr. Hofmann, vielen Dank, sie haben unser Leben gerettet!“ und dieser wendet sich um und antwortet: “Ich danke Ihnen! Es ist doch immer wieder schön und interessant zu sehen, wie viele junge Leute sich für meine Forschungen interessieren.“



Die Paradies Ausstellung, die bis zum 15 Oktober 2000 fortdauerte, bestand im wesentlichen aus einer multimediale Installation langsamer, die Phantasie anregender Dia-Überblendungen der Fotografien von Rolf Verres, zu meditativer Musik von Peter Hess und Jochen Sattler. Die entstehenden surrealistischen Bilder folgen mit ihren elementaren Wahrnehmungsinhalten ‘Licht, Feuer, Wasser, Erde, Luft, Pflanzen, Tier und Mensch‘, den Spuren der Zeit; der Evolutionsgeschichte. Ein durch und durch gelungenes Konzept, dem hiermit eine nomadische Existenz gewünscht sei.



Quelle: Den Vortrag „Glück im Schauen“ trug Albert Hofmann (*11. Januar 1906; † 29. April 2008), am 2. September 1999, im Rahmen der Veranstaltung ’Drogen, Schlüssel zum Paradies?’ auf dem Heidelberger Schloss vor.


Erstveröffentlichung im Pyromania Arts ‘Rave New World’-Magazin #8 © 2015 ‘Doors Of Perception Ethic Committee’ als Joint-Venture mit dem Verlag Andreas Mascha (VAM)-Cyberculture Studies. ISBN: 978-3-024404-47-5

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