Die Grosse Göttin - Farben und Aspekte im Wandel der Jahrtausende

Was ist, was sein wird und was gewesen ist, bin ich.Meine Scham hat keiner entblößt. Die Frucht die ich gebar, war die Sonne.“

Die feministische Historikerin Heide Götter-Abendroth, die über matriarchale Gesellschaftsformen arbeitete, hat 1980 im Vorfeld zu ihrem Buch Das Matriarchat ein aufsehenerregendes Werk veröffentlicht: Die Göttin und ihr Heros. Es befasst sich mit den Mythen der vorindogermanischen und indogermanischen Völker, die, wie sie anhand vieler Beispiele belegt, zunächst ausschließlich Muttergottheiten verehrten, eben, weil sie die Erfahrung machten, dass Frauen Leben schenken und bewahren. In späteren Zeiten hat man differenziert und die große Göttin als Dreiheit verehrt.

Das der Göttinnenkult gerade in seiner dreifaltigen Form in unserer Region überlebt hat, fällt schwer zu glauben und doch ist er noch heute in Relikten vorhanden. Ein Beispiel in unserer Region sind die drei Beden oder Bethen, die in der Nikolauskapelle im Wormser Dom abgebildet sind. Sie wurden vielfach Spes, Fides und Caritas genannt, aber auch als Heilige verehrt, als Barbara, Katharina und Margarete. Man hat sie zwar zu fränkischen Prinzessinnen umfunktionieren wollen, doch die Tatsachen sprechen dagegen.

Die Domina Abundia, die der Bishof von Paris 1248 erwähnt, soll in Begleitung anderer Frauen (nymphae albae, domina bonae, domina nocturae) in weiße Gewänder gehüllt erschienen sein, wie die Beden in die Häuser kommen und die für die bereitgestellten Speisen genießen. Dem Namen der guten Frauen entsprechen die Boni Vicini, so heißen die Feen in Schotland; gute Nachbarn. Es gibt die Beden noch in vielen Kirchen, vor allem im Raum Schwaben und Bayern. Meist tragen sie ähnliche Namen, oft sind sie in den Farben weiß-rot-schwarz dargestellt und haben die Symbole der Göttin bei sich, beispielsweise den Turm (als Symbol des heiligen Haags), das Rad (Symbol der Lebensgesetzte und -Bücher) und den Drachen (Symbol für Weltenüberbrücker und Wiedergeburt).

Der jugendlichen Frau und unberührten Jägerin, der Amazone, die durch die Lüfte fährt, wird symbolisch die Farbe weiß zugeordnet. Der Frau in der Blüte ihrer Jahre, begehrenswert und fruchtbar, wird mit der Farbe Rot in Verbindung gebracht. Und die weise aber auch grausame Alte, die alle Geheimnisse der Heilung kennt, ebenso wie sie Tod und ewiges Leben bringt. Für sie steht die Farbe Schwarz. Man kann die drei Göttinnen auch im Himmel, in der Erde und in der Unterwelt oder als Dreh- und Angelpunkt dazwischen ansiedeln.

Die Spaltung der Göttin ging der Untergang matriarchalischer Stammesstrukturen voraus. In allen verschiedenen Phasen ihrer Erscheinung wurde der dreifaltigen Göttin ein Heros, ein jugendlicher kraftvoller schicksalsgewählter Held beigesellt. Mit ihm feierte sie die „Heilige Hochzeit“ im „Zentrum der Welt“, das große Fruchtbarkeitsfest Beltane, angelehnt an den Kreislauf der Jahreszeiten. Im Winter folgte zwangsläufig der Tod des Heros - oft brachte er sich selbst als Opfer dar, doch im Frühling kehrte er verjüngt zurück.

Letztlich kann die Dreizahl der mütterlichen Schicksalsfrau und Göttin bis auf die Einzahl der im Märchen ebenfalls häufig erscheinenden, Urmutter-Hexe und -Göttin zurückgeführt werden, die in sich selbst die Doppelgestalt des Schicksals verkörpert (vgl. Frau-Holle-Motiv!). Die Spielformen des Dornröschenmärchens zeigen uns Beispiele für diese Abwandlung des Schicksalsgedankens.

Impressum